CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(07): 843-849
DOI: 10.1055/a-2041-2831
GebFra Science
Original Article

Psychische Aspekte bei unerfülltem Kinderwunsch – Ergebnisse einer Akteur-Partner-Interdependenz-Analyse

Article in several languages: English | deutsch
1   Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
,
Patrick Pätsch
1   Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
,
Sabine Rösner
2   Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Universitätsfrauenklinik Heidelberg, Heidelberg, Germany (Ringgold ID: RIN27178)
,
Ariane Germeyer
2   Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Universitätsfrauenklinik Heidelberg, Heidelberg, Germany (Ringgold ID: RIN27178)
,
Manja Krause
3   Fertility Center Berlin, Berlin, Germany
,
Heribert Kentenich
3   Fertility Center Berlin, Berlin, Germany
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Ikbale Siercks
4   Fiore, St. Gallen, Switzerland
,
4   Fiore, St. Gallen, Switzerland
,
Verena Ehrbar
5   Gynäkologische Sozialmedizin und Psychosomatik, Universitätsspital Basel, Basel, Switzerland (Ringgold ID: RIN30262)
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Sibil Tschudin
5   Gynäkologische Sozialmedizin und Psychosomatik, Universitätsspital Basel, Basel, Switzerland (Ringgold ID: RIN30262)
,
Bettina Böttcher
6   Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Austria (Ringgold ID: RIN27280)
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Bettina Toth
6   Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Austria (Ringgold ID: RIN27280)
,
1   Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
› Author Affiliations
TRIAL REGISTRATION: Registration number (trial ID): DRKS00014260, Trial registry:, Type of Study: Title of the study: „Psychological protective and risk factors in infertile women and men before assisted reproductive treatment – a multicentre study in Germany, Austria and Switzerland“ / Studientitel: „Protektive und Risikofaktoren bei unerfülltem Kinderwunsch – eine Multicenterstudie in Deutschland, Österreich und der Schweiz“

Zusammenfassung

Einleitung Unerfüllter Kinderwunsch und die anschließende medizinische Therapie führt bei einem Teil der Patient*innen zu starken emotionalen Belastungen, die vom Paar gemeinsam bewältigt werden müssen: „Infertility is a shared stressor“. Aus der Forschungsliteratur ist bekannt, dass die subjektiv wahrgenommene Selbstwirksamkeit die adaptive Bewältigung einer Erkrankung unterstützt. Als Fragestellung in dieser Studie wurde angenommen, dass hohe Selbstwirksamkeitswerte mit niedrigen psychischen Risikoscores (wie Ängstlichkeit oder Depressivität) sowohl bei der eigenen Person als auch beim Partner bzw. der Partnerin einhergehen. Eine gezielte Förderung der hilfreichen Selbstwirksamkeitserwartung könnte somit auch bei unerfülltem Kinderwunsch eine neue Beratungsstrategie darstellen, durch die psychisch vulnerable Patient*innen Behandlungsablauf und Behandlungsmisserfolge medizinisch assistierter Reproduktion besser bewältigen können und damit weniger als Risikopatient*innen bezüglich psychosozialer Faktoren gelten müssen.

Methoden 721 Frauen und Männer, die an 5 Kinderwunschzentren in Deutschland (Heidelberg, Berlin), Österreich (Innsbruck) und der Schweiz (St. Gallen, Basel) vorstellig wurden, haben den SCREENIVF-R-Fragebogen zur Identifizierung von psychischen Risikofaktoren für verstärkte emotionale Probleme und die SWUK-Skala zur Messung der Selbstwirksamkeit ausgefüllt. Mithilfe von gepaarten t-Tests und des Akteur-Partner-Interdependenz-Modells wurden die Daten von 320 Paaren paarbezogen ausgewertet.

Ergebnisse Auf Paarebene wiesen Frauen im Vergleich zu Männern in 4 von 5 Risikofaktoren (Depressivität, Ängstlichkeit, Mangel an Akzeptanz, Hilflosigkeit) höhere Risikowerte auf. In allen Risikobereichen konnten protektive Effekte der Selbstwirksamkeit auf den jeweiligen eigenen Risikofaktor identifiziert werden (Akteureffekt). Die Selbstwirksamkeitswerte des Mannes zeigten einen negativen Zusammenhang mit den Depressivitäts- und Hilflosigkeitswerten der Frau (Partnereffekt Mann → Frau). Die Selbstwirksamkeitswerte der Frau korrelierten positiv mit der Akzeptanz und sozialen Unterstützung bei Männern (Partnereffekt Frau → Mann).

Schlussfolgerung Da die Bewältigung des unerfüllten Kinderwunsches in der Regel durch das Paar geleistet wird, sollten in zukünftigen Studien nicht mehr nur Frauen und Männer getrennt in die Analysen einbezogen werden, sondern das Paar als Analyseeinheit im Fokus stehen. Zudem sollte in der psychosozialen Kinderwunschberatung das Paarsetting Goldstandard sein.



Publication History

Received: 28 September 2022

Accepted after revision: 09 January 2023

Article published online:
14 April 2023

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