Erfahrungsheilkunde 2023; 72(06): 325
DOI: 10.1055/a-2069-1636
Editorial

Editorial

Robert Schmidt

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Leserinnen, liebe Leser,

das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) ist eine chronische Schmerzerkrankung immer noch ungeklärter Ätiologie. Neben den Schmerzen, vor allem in der Muskulatur und den Sehnenansätzen, bestehen zahlreiche charakteristische Begleitsymptome wie psychovegetative Erschöpfung, gestörter bzw. nicht erholsamer Schlaf und/oder vegetative Symptome wie z. B. Verdauungsstörungen im Sinne eines Reizdarmsyndroms. Daher ist auch die Bezeichnung FMS heute gängiger als der Begriff Fibromyalgie, der ursprünglich 1976 für dieses Syndrom eingeführt wurde und der damaligen Erkenntnis Rechnung trug, dass keine entzündlichen Prozesse nachweisbar waren wie bei anderen Erkrankungen aus dem rheumatologischen Formenkreis. Davor wurden Begriffe mit der Endung -itis verwendet, da man zugrunde liegende Entzündungen vermutete (Fibrositis, Myofibrositis, Neurofibrositis, Myofasziitis). Die Beschreibung generalisierter Schmerzen, wie sie beim FMS vorliegen, gehen allerdings zumindest bis in die Antike zurück. Der griechische Arzt Theophrastus (372–287 v. Chr.), ein Schüler Aristoteles’, beschrieb generalisierte Schmerzen in Muskeln oder Sehnen und bezeichnete dabei die spezielle Wesensart als „Mattheit“. Damals waren damit bereits die wichtigsten Charakteristika des FMS aufgeführt.

Das FMS beeinflusst nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens mit großen Auswirkungen auf Erwerbsfähigkeit und Arbeitsproduktivität. Inanspruchnahme des Gesundheitssystems und Minderung oder gar Verlust der Erwerbsfähigkeit führen zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Gesellschaft. So waren zum Beispiel in den USA 2012 65 % der FMS-Patienten unter 65 Jahren nicht arbeitsfähig, wobei insgesamt nur 6 % der Bevölkerung unter 65 Jahren ohne FMS arbeitsunfähig waren. Die Prävalenz von FMS für Deutschland wird mit 2,1 % angegeben (2013). Dabei sind generell deutlich mehr Frauen als Männer betroffen, etwa 75 % der Betroffenen sind weiblich. Die Prävalenz erreicht ihren Gipfel in der Altersgruppe von 50 bis 59 Jahre, die meisten Patienten erkranken zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Wenn man sich diese Zahlen vor Augen führt, wird deutlich, warum wir dieser Erkrankung den Großteil dieser Ausgabe der Erfahrungsheilkunde widmen.

In diesem Heft finden Sie fünf Beiträge, die das FMS aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Zwei interessante Beiträge zu den Themen orale Störfelder und Regulationsstörungen bei Säuglingen runden diese Ausgabe gelungen ab.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihr

Robert Schmidt



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
29. November 2023

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