Fortschr Neurol Psychiatr 2025; 93(11): 461-473
DOI: 10.1055/a-2708-3750
Übersichtsarbeit

Klinische und neuropsychologisch-operationalisierte Kriterien zur Früherkennung eines Mild Cognitive Impairment: Eine Übersicht und kritische Einordnung

Clinical and neuropsychological criteria for the early determination of Mild Cognitive Impairment: a review and critical discussion

Autoren

  • Ann-Katrin Schild

    1   Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Köln, Köln, Germany (Ringgold ID: RIN27182)
  • Claudia Bartels

    2   Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Germany (Ringgold ID: RIN27177)

Zusammenfassung

Seit seiner Einführung im Jahr 1999 hat sich der Begriff des Mild Cognitive Impairment (MCI) als klinisches Syndrom in der wissenschaftlichen und klinischen Praxis etabliert. Technische und wissenschaftliche Fortschritte machten eine regelmäßige Aktualisierung von Forschungskriterien erforderlich. In der Entwicklung kam es so zu einer stärker biologischen Definition und dem Einbezug von Biomarker-basierten Kriterien, während die klinischen Kernkriterien im Wesentlichen unverändert blieben. Das klinische MCI-Kernkriterium zu objektivierbaren kognitiven Defiziten erlaubt eine konkrete Operationalisierung und hat wiederum zur Entwicklung verschiedener neuropsychologisch-operationalisierter Kriterien geführt. Weitere Ansätze, die sensitiver für erste kognitive Veränderungen sein könnten oder auch stärker das Kriterium des kognitiven Abbaus berücksichtigen, könnten künftig ebenfalls dafür genutzt werden. Dabei müssen für die Anwendung neuropsychologisch-operationalisierter Kriterien bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, wie die Erfassung relevanter kognitiver Domänen mit angemessen normierten Testverfahren in einem ausreichenden Umfang. Eine standardisierte und konsistente Nutzung dieser Kriterien könnte die hohe Variation in MCI-Prävalenzraten reduzieren sowie prognostische Einschätzungen und Behandlungsentscheidungen in der klinischen Routine angleichen. Erhebungen zum Ist-Zustand in deutschen Gedächtnisambulanzen zeigen, dass perspektivisch die Möglichkeit einer einrichtungsübergreifenden Verständigung auf ein Kriterienset i.S. einer Harmonisierung möglich wäre. Dennoch bliebe bei einer Festlegung auf eine Operationalisierung weiterhin abschließend das klinische Urteil mit angemessener Würdigung individueller Einflussfaktoren ausschlaggebend für eine MCI-Diagnose. Die vorliegende Arbeit liefert einen Überblick und Einordnung zu klinischen und neuropsychologisch-operationalisierten Kriterien, deren Herausforderungen und neuen Entwicklungen, um erste kognitive Veränderungen frühzeitig und adäquat zu detektieren.

Abstract

Since its introduction in 1999, the clinical syndrome Mild Cognitive Impairment (MCI) has been established in scientific and clinical practice. Technical and scientific advances made it necessary to regularly update research criteria, resulting in a shift to a more biological definition and biomarker-based criteria, while clinical core criteria remained essentially unchanged. The cognitive core criterion (objective evidence of cognitive impairment) allows concrete operationalization and has, in turn, led to the development of various neuropsychological criteria. Approaches more sensitive to early cognitive changes or taking greater account of cognitive decline may also be further elaborated for their future use. In general, certain conditions must be met for the use of neuropsychological criteria, such as the assessment of relevant cognitive domains with appropriately standardized test procedures to a sufficient extent. Standardized and consistent criteria use could reduce the high rates of variation observed in MCI prevalence rates and could help harmonizing prognostic evaluations and treatment decisions in routine clinical practice. Surveys of the status quo in German memory clinics suggest that there is a basis to possibly reach consensus on a set of criteria across institutions. Despite a potential commitment to specific neuropsychological criteria, clinical judgment appropriately considering individual factors would remain decisive for an MCI diagnosis and thus leaving existing MCI clinical core criteria untouched. The present work provides an overview on clinical and neuropsychological MCI criteria, discusses their challenges and future perspectives to timely and adequately detect first meaningful cognitive changes.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 01. August 2025

Angenommen nach Revision: 18. September 2025

Artikel online veröffentlicht:
06. November 2025

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