Zentralbl Chir 2011; 137(1): 92
DOI: 10.1055/s-0030-1262598
Kommentar

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Kommentar zu: „Jonas J. Die Beurteilung der Signalveränderungen beim kontinuierlichen Neuromonitoring in der Schilddrüsenchirurgie. Zentralbl Chir 2010; 135(3): 262–266“

An Evaluation of the Signal Change in the Continuous Neuromonitoring in Thyroid SurgeryS. Leinung1
  • 1Parkkrankenhaus Leipzig, Chirurgie, Leipzig, Deutschland
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Publication Date:
01 March 2011 (online)

Mit großem Interesse haben wir die Mitteilungen von Herrn Priv.-Doz. Dr. Jonas zum kontinuierlichen Neuromonitoring bei Schilddrüsenoperationen gelesen. Er beschreibt eine geometrisch offene tripolare Elektrode, die, in der Nähe des Nervus vagus platziert, eine kontinuierliche Nervenüberwachung ermöglichen soll. Korrekterweise stellt Jonas dabei fest, dass die Höhe des EMG-Signals bei dem beschriebenen Versuchsaufbau keinen prognostischen Wert besitzt. Dies war zu erwarten, da verschiedene Arbeitsgruppen durch eine Vielzahl von Untersuchungen im Rahmen der Entwicklung des kontinuierlichen Nervenmonitorings bereits herausgefunden haben, dass die Ein- und Auskopplung des Signals entscheidend für die Signalstabilität ist. Nur eine verlässliche, komplette (supramaximale) Nervenstimulation kann ein interpretierbares Antwortsignal induzieren. Eine frei im OP-Gebiet liegende Elektrode kann, nach heutigem Kenntnisstand, diesen Zweck nicht erfüllen, da die Stromstärke im Nerven durch die operationsbedingten Bewegungen zwangsläufig schwankt. Lediglich ein kompletter Funktionsverlust des Nerven könnte gegebenenfalls durch einen Signalabbruch erkannt werden. Aber auch bei einem akuten Signalverlust musste nach den Angaben des Autors bei der von ihm angewandten Technik mindestens einmal pro Operation von einer Elektrodendislokation ausgegangen werden, wobei vom Autor hierbei nur die makroskopisch erkennbaren Dislokationen angegeben worden sind. Der Autor erwähnt nicht, wie oft vom Operateur irritierende Signalverluste ohne Nervenbelastung bemerkt wurden. 

Die publizierten Daten zeigen keinen Neuigkeitswert. 

Bemerkenswert ist, dass die jahrelangen Erfahrungen anderer Arbeitsgruppen und die Erstbeschreibung des kontinuierlichen Nervenmonitorings durch Recurrens- und Vagusstimulation weder im Studiendesign noch in der Diskussion berücksichtigt wurden [1] [2] [3] [4] [5] . 

Eine adäquate Literaturrecherche hätte den Aufbau der Studie und damit den Erkenntnisgewinn sehr wahrscheinlich befruchtet. Die Interpretation der Ergebnisse und deren Bewertung wären bei Berücksichtigung der aktuellen Literatur und der Beschäftigung mit den Ergebnissen anderer Arbeitsgruppen wohl anders ausgefallen. 

Zudem macht die Dreifach-Publikation desselben Versuchsaufbaus die vorgestellte Methode nicht überzeugender.

Am 8. Mai 2010 fand in Leipzig unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie und in der Fachpresse lange angekündigtes Europäisches Vormittagssymposium zum kontinuierlichen Neuromonitoring statt. 

Hier diskutierten zusammen mit den weiteren Referenten und Vorsitzenden der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Endokrinologie (CAEK) Thomas Musholt (Mainz), Peter Würl (Nordhorn), Rick Schneider (Leipzig), Wolfgang Timmermann (Hagen), P. E. Goretzki (Neuss), und Michael Braukhoff (Bergen, Norwegen) die drei europäischen Arbeitsgruppen Wolfram Lamadé („Stuttgarter Methode“), Michael Hermann („Wiener Methode“), Steffen Leinung („Leipziger Methode“) sehr offen ihre Ergebnisse, die das ­Resultat vieler Patente und subtiler Tierversuchs- und klinischer Studien waren. 

Eine Teilnahme an der Veranstaltung oder ein Kontakt zu den genannten Arbeitsgruppen und die daraus resultierende Diskussion hätte die Arbeit sehr wahrscheinlich bereichert. 

Ein offenes sachbezogenes und kritisches Miteinander vieler Arbeitsgruppen kann eine wesentliche Säule der Entwicklung und Einführung einer neuen Methode darstellen. 

Literatur

  • 1 Lamadé W, Brandner R, Brauer M et al. Continuous monitoring of the recurrent laryngeal nerve.  Langenbecks Arch Chir Suppl Kongressbd. 1998;  115 1055-1057
  • 2 Lamadé W, Meyding-Lamadé U, Buchhold C et al. First continuous nerve monitoring in thyroid gland surgery.  Chirurg. 2000;  71 551-557
  • 3 Lamadé W, Ulmer C, Seimer A et al. A new system for continuous recurrent laryngeal nerve monitoring.  Minim Invasive Ther Allied Technol. 2007;  16 149-154
  • 4 Schneider R, Przybyl J, Hermann M et al. A new anchor electrode design for continuous neuromonitoring of the recurrent laryngeal nerve by vagal nerve stimulations.  Langenbecks Arch Surg. 2009;  394 903-910
  • 5 Schneider R, Przybyl J, Pliquett U et al. A new vagal anchor electrode for real-time monitoring of the recurrent laryngeal nerve.  Am J Surg. 2010;  199 507-514

Prof. S. Leinung

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