Aktuelle Neurologie 2011; 38(2): 57
DOI: 10.1055/s-0030-1266117
Editorial
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Schlaganfall in der Neurologie: Eine Erfolgsgeschichte die Ihresgleichen sucht

Stroke Care in Neurology: A Success StoryH.-C.  Diener1
  • 1Neurologische Universitätsklinik Essen
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Publication Date:
11 April 2011 (online)

Prof. H.-C. Diener

Wir alle wissen, dass vor 30 Jahren in vielen Neurologischen Kliniken in Deutschland eine esoterische Form der Neurologie mit hochintellektueller Diagnosestellung und begrenzten Therapieoptionen bestand. Schon damals erkannten weitblickende Neurologen, wie Klaus Poeck in Aachen sowie die Hamburger und Würzburger Neurologenschule, dass die Behandlung des akuten Schlaganfalls und die neurologische Intensivmedizin, genuine Bestandteile der Neurologie sind und werden müssen und unabdingbare Inhalte der Weiterbildung zum Neurologen sein müssen. Der wirkliche Durchbruch kam durch die ersten Studien zur systemischen Thrombolyse durch Werner Hacke in Heidelberg und die Implementierung der ersten Stroke Units in Essen. Seitdem haben sich die Versorgung von Patienten mit akuten Schlaganfällen und Schlaganfallprävention zu einem der wichtigsten Gebiete in der Neurologie entwickelt. Ohne die fast flächendeckende Einrichtung von Stroke Units, die auf hohem Niveau arbeiten, wäre eine Implementierung der systemischen Lyse nicht möglich gewesen. Stroke Units und insbesondere Schlaganfallzentren sind auch eine unabdingbare Voraussetzung für die weitere Verbreitung der interventionellen Therapie des akuten ischämischen Insultes, sei es mit lokaler Lyse oder Rekanalisationstherapien.

Ein dramatischer Paradigmenwechsel vollzieht sich im Moment in der Sekundärprävention des akuten Schlaganfalls bei Patienten mit Vorhofflimmern. Bisher waren die einzigen Therapieoptionen die relativ schlecht wirksame Azetylsalizylsäure und die schwer zu handhabenden Vitamin-K-Antagonisten. Mit der Einführung moderner Antikoagulantien, wie der direkten Thrombinantagonisten und der Faktor-X a-Antagonisten, wird hier eine buchstäbliche Revolution eintreten. In Zukunft werden nicht mehr komplizierte Skalen gebraucht um festzustellen, wer eine Prävention mit Thrombozytenfunktionshemmern oder Vitamin-K-Antagonisten enthält. Die neuen Substanzen sind so wirksam und sicher, dass sich in Zukunft nur noch die Frage stellt, wer nicht antikoaguliert wird. Für die Neurologen gibt es aber noch eine Reihe von ungeklärten Fragen, wie beispielsweise wann nach einer TIA bei einem Schlaganfall die neuen Antikoagulanzien eingesetzt werden können und wie das Handling von Patienten ist, die unter diesen Substanzen eine zerebrale oder intrakranielle Blutung erleiden.

Große Fortschritte gibt es auch in der Sekundärprävention mit Thrombozytenfunktionshemmern. Hier gibt es in der Zwischenzeit eine ganze Reihe von großen und gut durchgeführten randomisierten Studien, die eindeutig belegt haben, dass sowohl Clopidogrel, wie die Kombination von Azetylsalizylsäure und Dipyridamol einer Monotherapie mit Azetylsalizylsäure überlegen sind. Dies hat weltweit Eingang in die Leitlinien zur Sekundärprävention gefunden. Lediglich ein Institut in der Mitte von Köln hat sich diesem Wissenszuwachs entzogen und ist der Meinung, dass Azetylsalizylsäure als Monotherapie weiterhin das Maß aller Dinge sei.

Große Fortschritte gibt es auch in der Prävention bei der Makroangiopathie. Eine Vielzahl von randomisierten Studien, von denen die erste in Deutschland durchgeführt wurde, und dann später in Europa und in den Vereinigten Staaten Nachahmer fanden, zeigen, dass die Karotisoperation offenbar durch den Stenting bez. der Komplikationsrate überlegen ist.

Die Versorgung von Patienten mit akuten Schlaganfällen und die Schlaganfallprävention haben in der Neurologie eine neue Perspektive eröffnet. Neurologen sind in der Zwischenzeit auch in der Lage, die wesentlichen Risikofaktoren und internistischen Begleiterkrankungen bei Schlaganfallpatienten zu behandeln. Im Moment sind wir alle dabei, erweiterte Kompetenzen bei der Behandlung von Patienten mit komplexen Rhythmusstörungen des Herzens und insbesondere beim Vorhofflimmern zu erwerben.

Schlaganfall ist aber auch eine Erfolgsgeschichte im Bereich der klinischen Forschung und der Grundlagenforschung sowohl im Bereich der Akutversorgung des Schlaganfalls als auch im Bereich Sekundärprävention finden sich Web-of-Science federführend Deutsche Neurologen.

Diese Nummer der Aktuellen Neurologie widmet sich nicht nur den wichtigen Aspekten der Diagnostik und Prävention bei Vorhofflimmern, sondern behandelt auch wichtige Themen wie Schlaganfälle im Kindes- und Jugendalter, Frührehabilitation und die umstrittene Thematik, wie mit Patienten mit kryptogenem Schlaganfall und offenem Foramen ovale umgegangen werden soll.

Prof. H.-C. Diener

Neurologische Universitätsklinik Essen

Hufelandstr. 55

45122 Essen

Email: hans.diener@uni-duisburg-essen.de

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