Die autochthone Bevölkerung Tuvas leitet sich von Turk-Nomadenstämmen ab und leidet
unter einer sehr viel höheren Wahrscheinlichkeit, an Tuberkulose zu erkranken als
die aus dem übrigen Russland nach Tuva eingewanderten Russen. Die Situation der Tuberkulosekontrolle
in Tuva ist beispielhaft für die Probleme der Tuberkulosebehandlung in den Nachfolgestaaten
der ehemaligen Sowjetunion. Die Prävalenz- und Inzidenzdaten der Autonomen Republik
Tuva wurden mit denen der gesamten Russischen Föderation sowie einiger ausgewählter
Oblasts in Westsibirien verglichen. Bei Besuchen in Tuva konnten die Rohdaten zur
Tuberkulose (Meldedaten, mikrobiologische Informationen sowie klinische Daten zu den
Patienten) ausgewertet und mit den offiziellen Meldedaten verglichen werden. In einer
prospektiven Studie (Fragebogen) wurden über drei Monate sämtliche neu auftretenden
Tuberkulosefälle in Tuva erfasst. Die Prävalenz der Tuberkulose betrug 2004 in Tuva
834,7/100.000 Einwohner; im übrigen Russland durchschnittlich 160/100.000 (so auch
in den westsibirischen Oblasts). Die Inzidenz der Tuberkulose lag in Tuva 2004 bei
224,3/100.000 Einwohner. Der hohe Quotient aus Prävalenz und Inzidenz legt eine lange
Krankheitsdauer und ineffektive Therapiemaßnahmen der TB-Patienten in Tuva nahe. Im
Beobachtungszeitraum der prospektiven Studie wurden 210 neue Tuberkulosepatienten
erfasst. Eine Auswertung bezüglich der Risikofaktoren ergab eine Häufung der TB-Fälle
bei den 25 bis 49-jährigen. Die Verteilung der klinischen Diagnosen entsprach derjenigen
der jährlichen Meldungen. Es konnte eine signifikante Korrelation von exzessivem Alkoholismus
bei tuvinischen TB-Patienten mit schweren Tuberkuloseformen festgestellt werden (OR:
2,27). Es wurden etwa gleich viele TB-Patienten durch active wie durch passive case
finding detektiert. Darüber hinaus wurde eine umfassende Umgebungsuntersuchung der
TB-Patienten sichergestellt. In 8 Fällen konnte eine Übertragung nachgewiesen werden.
Die Lebensbedingungen leisten dem Ausbruch einer aktiven Tuberkuloseerkrankung Vorschub.
Empfehlungen zu geeigneten Präventionsmaßnahmen auf der Grundlage der Ergebnisse der
prospektiven Studie sowie der Auswertung der Meldedaten unterstützen neben der Bekämpfung
der Risikofaktoren ein active case finding in einer high burden region wie Tuva, anders
als von der WHO derzeit empfohlen.