Einleitung: Eine kanzerogene Wirkung des Passivrauchens gilt als wissenschaftlich erwiesen. Nicht
nur epidemiologische Daten weisen darauf hin, sondern auch die biomedizinische Forschung
über sog. tabakspezifische Nitrosamine belegen den Zusammenhang. Eine vergleichende
Betrachtung der entsprechenden Fachliteratur fördert jedoch auch Belege für eine ernstzunehmende
Gegenposition zutage. Unter den Protagonisten dieser Auffassung finden sich renommierte
Toxikologen, die medizinischen Hochschulen in Deutschland angehören. Methode: Anhand interner Dokumente der Tabakindustrie, die infolge US – amerikanischer Gerichtsprozesse
im Internet zugänglich sind, wurde untersucht wie der Zigarettenhersteller Philip
Morris plante wissenschaftliche Publikationen über die kanzerogene Wirkung des Passivrauchens
zu neutralisieren und wie diese Pläne von deutschen Toxikologen umgesetzt wurden.
Ergebnisse: Den internen Dokumenten der Tabakindustrie zufolge plante und finanzierte Philip
Morris auf dem kleinen aber für die Tabakindustrie sensitiven Forschungsgebiet der
tabakspezifischen Nitrosamine gemeinsam mit deutschen Toxikologen diverse Studien
und Publikationen. Ansätze, Studienaufbau und veröffentlichte Ergebnisse dieser Arbeiten
sind geeignet früher veröffentlichte Erkenntnisse über die krebserregende Wirkung
des Passivrauchens zu relativieren. Aktuell existiert in Deutschland ein Netzwerk
renommierter Toxikologen mit langjährigen Beziehungen zur Tabakindustrie. Darunter
befinden sich die Präsidentin einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft, die auch
Regierungsberaterin in Umweltfragen ist, ein Gutachter vor dem Deutschen Verfassungsgericht
und der Herausgeber einer maßgeblichen wissenschaftlichen Fachzeitschrift. Schlussfolgerungen: Die vor einem Jahrzehnt aufgrund interner Dokumente der Tabakindustrie aufgedeckte
illegitime Einflussnahme in den Wissenschaftsbetrieb deutscher medizinischer Hochschulen
hat wenig bewirkt. Derzeit sind in Deutschland die Expertenmeinung und der Inhalt
von Publikationen zu tabakassoziierten Gesundheitsgefahren unter starkem Einfluss
der Tabakindustrie. Dies hat Auswirkungen auf die öffentliche Diskussion um die Gesetzgebung
zum Nichtraucherschutz, möglicherweise über Deutschlands Grenzen hinaus.