Einleitung: Die Suizide gehen in Sachsen-Anhalt nach der offiziellen Statistik auf Landesebene
dramatisch zurück. Kleinräumigere Untersuchungen liegen bislang für das Bundesland
nicht vor, insbesondere keine Gegenüberstellungen des städtischen und Umlandgeschehens
und keine Beziehungsetzung zum ambulanten psychiatrischen Versorgungsangebot. Methodik: Das Statistische Landesamt stellte auf gezielte Abforderung Suiziddaten für die drei
Mittelstädte des Landes zusammengefasst und für Mehrjahresperioden über den Zeitraum
von 1990 bis 2006 zur Verfügung. Über Differenzbildung konnte das Suizidgeschehen
dieser Mittelstädte dem im kleinstädtisch-ländlichen Bereich gegenüber gestellt und
Korrelationen mit den ambulanten Versorgungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigung
für alle „Psycho“-Fächer berechnet werden. Ergebnisse: In 16 Beobachtungsjehren nahmen sich in den 3 kreisfreien Städtten 1595 Menschen,
davon 1125Männer und 470 Frauen, das Leben, im Umland 6620 Menschen, davon 4894Männer
und 1726 Frauen mit parallel stark abnehmender Tendenz in beiden regionalen Zuordnungen.
Von Beginn an lagen überraschend die Suizidraten im städtischen Bereich unter denen
des Umlandes, insbesondere im höheren Altersbereich. Es existierte eine extreme Ungleichverteilung
von „Psycho“-Behandlungsressourcen bereits zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung mit
städtischer Schwerpunktbildung der Versorgung, die weiter zugenommen hat und mit dem
Rückgang der Suizidraten korreliert. Diskussion und Schlussfolgerung: Wider Erwarten – und der mehrheitlich veröffentlichten Literatur – fand sich keine
höhere, sondern eine geringere Suizidrealisation im großstädtischen Bereich. Dieses
Ergebnis ist über die Zeiträume und die Altersverteilung weitgehend konstant. Die
ambulanten therapeutischen Angebote sind mittelstädtisch so gravierend besser und
korrelieren signifikant negativ mit der Verteilung der Suizide, dass ein kausaler
Einfluss denkbar erscheint. Gesicherte Daten zum Inanspruchnahmeverhalten suizidaler
Menschen oder dem unmittelbar suizidvorlaufendem Konsultationsverhalten von Suizidenten
– aus psychologischen Autopsiestudien – liegen für Sachsen-Anhalt allerdings nicht
vor, so dass kausale Interpretationen nur vorbehaltlich möglich sind.