Rehabilitation (Stuttg) 2011; 50(4): 232-243
DOI: 10.1055/s-0030-1268000
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rehabilitation aus Patientensicht – Eine qualitative Analyse der subjektiven Behandlungskonzepte von Patienten in der stationären orthopädischen und psychosomatischen Rehabilitation

Rehabilitation from the Patient Perspective – A Qualitative Analysis of the Treatment Beliefs of Patients in Inpatient Orthopedic and Psychosomatic RehabilitationK. Heyduck1 , M. Glattacker1 , C. Meffert1
  • 1Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin (Direktor: Prof. Dr. W. H. Jäckel)
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Publication Date:
06 June 2011 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund und Ziel: Mit der Weiterentwicklung des Common-Sense-Selbstregulationsmodells (CSM) Ende der 1990er Jahre rückten neben subjektiven Krankheitskonzepten auch subjektive Behandlungsrepräsentationen, insbesondere medikamentenbezogene Überzeugungen, von Patienten in den Fokus. Nur wenige Studien haben sich bislang jedoch mit subjektiven Konzepten im Hinblick auf die nicht-medikamentöse Behandlung befasst. Ziel der vorliegenden Studie war die Exploration der zentralen Inhaltsbereiche des Behandlungskonzepts von Rehabilitanden als Grundlage für die Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung rehabilitationsbezogener Behandlungsrepräsentationen.

Methode: In 5 stationären Rehabilitationseinrichtungen der Indikationen Psychosomatik und muskuloskelettale Erkrankungen wurden leitfadengestützte Fokusgruppen mit insgesamt n=25 Rehabilitanden durchgeführt. 56% der Teilnehmer waren weiblich, das Durchschnittsalter lag bei 52,8 Jahren (SD=10,8). Die Interviews wurden transkribiert und mithilfe des Computerprogramms Atlas.ti in Anlehnung an das von Mayring empfohlene Vorgehen in einem mehrstufigen Verfahren qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse: Bei der Analyse der Gesprächsprotokolle wurden insgesamt 579 Patientenaussagen mit 49 Codes kategorisiert, welche den Inhaltsbereichen (1.) Erwartungen und Überzeugungen in Bezug auf den Rehabilitationsprozess, (2.) Ergebniserwartungen und (3.) Befürchtungen in Zusammenhang mit der Rehabilitation zugeordnet werden konnten. Mit 58,2% aller Patientenaussagen waren die Prozesserwartungen dabei der in den Interviews am stärksten diskutierte Themenkomplex. Es zeigte sich, dass die Patienten mit der Rehabilitation nicht nur eine Vielzahl von Einzelbehandlungen verbinden, sondern auch konkrete Vorstellungen haben über deren spezifische Ausgestaltung, die eigene Rolle im Rehabilitationsprozess und Merkmale, die das Gesamtkonzept einer Reha kennzeichnen sollten. Die Ergebniserwartungen beziehen sich auf die Bereiche Alltag und Beruf, Psyche, Soma und Wirksamkeit der Rehabilitation. Befürchtungen in Zusammenhang mit der Rehabilitation spielten für die Befragten insgesamt eine eher untergeordnete Rolle. Die indikationsspezifischen Analysen zeigen, dass die Vorstellungen bezüglich der Durchführung und Ausgestaltung der Rehabilitation in den Diagnosegruppen differierten; in den Ergebniserwartungen und Befürchtungen wurden von den Patienten jedoch ähnliche Kategorien genannt, welche nur teilweise eine andere Gewichtung erfuhren.

Schlussfolgerungen: Mithilfe der Fokusgruppen konnte ein guter Einblick in die Patientenperspektive der Rehabilitation gewonnen werden. Gleichzeitig wurde eine gute inhaltliche Grundlage für die Generierung von Items für einen Fragebogen zum rehabilitativen Behandlungskonzept geschaffen, sodass sich die qualitative Methodik hier neben Literaturanalysen als geeigneter Zugang und gute Quelle für die Fragebogenentwicklung erwiesen hat.

Abstract

Purpose: As the common sense self-regulation model (CSM) was further developed in the late 1990s, its focus was, along with subjective illness perceptions, the treatment representations of patients, in particular medication-related perceptions. However until now, only few studies have dealt with subjective concepts regarding non-medication treatment. The objective of this study was to explore the core content areas of the treatment concept of rehabilitation patients as a basis for developing a questionnaire to survey rehabilitation-related treatment beliefs.

Methods: In 5 inpatient rehabilitation centres for psychosomatic and musculoskeletal diseases, guided focus groups were conducted with a total of n=25 rehabilitation patients. Some 56% of the participants were female; the average age was 52.8 years (SD=10.8). The interviews were transcribed and analyzed using the computer programme Atlas.ti based on the method recommended by Mayring in a multi-stage qualitative content analysis procedure.

Results: In the analysis of the discussion transcriptions, a total of 579 patient statements were categorized with 49 codes that were assigned to the areas (1) expectations and beliefs with respect to the rehabilitation process, (2) expectations of results, and (3) fears associated with rehabilitation. The process expectations were the most frequently discussed topic, constituting 58.2% of all patient statements. It was found that the patients associate not only numerous individual treatments with rehabilitation but also have concrete perceptions about the specific form rehabilitation should have, their own role in the rehabilitation process, and features of the overall rehabilitation concept. The outcome expectations are related to the areas activities of daily life and job, psyche, soma, and effectiveness of rehabilitation. Fears with respect to rehabilitation generally played only a subordinate role for those surveyed. The indication-specific analyses showed that the perceptions regarding the realization and form of rehabilitation differed among the various diagnosis groups, but the patients named similar categories for expectations of results and fears, with only some variation in importance.

Conclusion: The focus groups allowed good insights into the patient perspectives of rehabilitation. Simultaneously, a good basis was created for generating contents of items for a questionnaire on the rehabilitative treatment concept, so that along with literature analyses, the qualitative method proved to be a suitable approach and good source for developing a questionnaire.

Literatur

1 Die zitierte Studie stammt aus der internationalen Literatur, und einige Ergebnisse, z. B. bezüglich der Teilnahmebereitschaft/„attendance” während der Rehabilitationsmaßnahme, sind nicht unmittelbar auf das deutsche Gesundheitssystem übertragbar.

2 In den Fokusgruppen wurden neben den rehabilitationsbezogenen Vorstellungen noch 2 weitere Themenbereiche mit den Patienten diskutiert, die in den hier vorgestellten Auswertungen jedoch nicht berücksichtigt sind. Die Exploration des rehabilitativen Behandlungskonzepts war allerdings das Hauptanliegen der Fokusgruppen und nahm den größten Teil der Interviewzeit ein.

Korrespondenzadresse

Dipl.-Psych. Katja Heyduck

Universitätsklinikum Freiburg

Abteilung Qualitätsmanagement

und Sozialmedizin

Engelberger Straße 21

79106 Freiburg

Email: katja.heyduck@uniklinik-freiburg.de