Aktuelle Neurologie 2011; 38 - A1
DOI: 10.1055/s-0031-1276529

BoNT in der Kinderorthopädie

R. Placzek 1, C.-D. Peterlein 1
  • 1Berlin, Marburg

Seit der Erstbeschreibung von Botulinumtoxin A zur Behandlung der infantilen Cerebral-parese (ICP) durch den amerikanischen Kinderorthopäden A. L. Koman (1993) hat sich die Therapie mit Botulinumneurotoxin (BoNT) als wichtiger Therapiepfeiler im Behandlungs-spektrum dieser Patienten etabliert. Die Therapie gilt als sicher und effektiv. Inzwischen ist auch eine Verminderung der Operationshäufigkeit unter suffizienter BoNT-Injektionstherapie belegt [1]. Aktuellen Erkenntnissen zufolge entspricht sie den Kriterien der evidenzbasierten Medizin als Behandlungsoption bei Spastik auch bei Kindern [2]. Eine einheitliche Injektionsstrategie hat sich hierfür jedoch bisher nicht durchgesetzt. Gerade bei Kindern mit ICP ist die Notwendigkeit einer langfristigen Therapieoption unumstritten, um zum einen der Dauer der motorischen Entwicklung und zum anderen den Erfordernissen einer suffizienten Kontrakturprophylaxe gerecht zu werden. Die hierfür benötigte Dosierung wird ebenfalls kontrovers diskutiert.

Ein aktuelles Behandlungskonzept muss Sicherheit und Effektivität der Therapie mit dem Erhalt dieser Behandlungsoption während des gesamten Wachstums vereinen. Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen und zur bestmöglichen Förderung der motorischen Entwicklung entsprechend der jeweiligen Entwicklungsstufe unter Einhaltung moderater Dosierungen wurde das „Key-Muscle-Konzept“ formuliert [3, 4].

Synopsis der motorischen Entwicklungsstufen:

0. Zusammenführen der Arme vor der Brust. Mot. Ziel: Spiel mit den Händen in Rückenlage. Häufige „KM“: M.bizeps/trizeps hum.

1. Physiol. 4.-6. Lebensmonat (LM). Motorisches Ziel: Schwerpunktverlagerung durch Hochnehmen der Arme und Beine; seitl. Drehen, häufige „key muscles“ (KM): Ischiocrurale Muskulatur (Ischios)

2. Physiol. 6.-8. LM. Mot.. Ziel: Stabiles, breitbeiniges Sitzen im Langsitz; erst mit, später ohne Armstütz, häufige „KM“: Ischios, Adduktorengruppe

3. Physiol. 8.-10. LM. Mot. Ziel: Armstütz und Vierfüßlerstand, häufige „KM“: M. bizeps/trizeps humeri, Adduktorengruppe; bei Bärengang: Ischios

4. Physiol. 10.-14. LM. Mot. Ziel: Vertikalisierung, Standstabilität, Balance, häufige „KM“: M. bizeps/trizeps humeri, Adduktorengruppe, Plantarflexoren, (Psoas)

5. Physiol. 12.-24. LM. Mot. Ziel: Fortbewegung, Mobilität, häufige „KM“: Adduktorengruppe, Plantarflexoren, Ischios, (Psoas)

Literatur:

[1] Molenaers G, Desloovere K, Fabry G et al. J Bone Joint Surg Am 2006; 88:161–170

[2] Simpson DM, Gracies JM, Graham HK et al. Neurology 2008; 70:1691–1698

[3] Placzek R. Der Orthopäde: DOI 10.1007/s00132–009–1534–3, 2010

[4] Placzek R, Siebold D, Funk JF. Toxins 2010, 2, 2258–2271; doi:10.3390/toxins2092258