Aktuelle Neurologie 2011; 38 - A15
DOI: 10.1055/s-0031-1276535

Individualisierte BTX-Therapie – State of the Art

R. Benecke 1
  • 1Rostock

Der Begriff Zervikale Dystonie wird nach wie vor als Oberbegriff benutzt, wenn es um Dystonien geht, die die äußere Halsmuskulatur betreffen. Aufgrund von komplexen Analysen und Aktivitäten der insgesamt ca. 54 Muskeln und ihrer elektromechanischen Konsequenzen unterscheidet man inzwischen Zervikale Dystonien im engeren Sinne und Kraniale Dystonien, bei denen vorwiegend Muskeln betroffen sind, die ihren Ansatz oder Ursprung direkt im Bereich eines Schädelknochens haben und daher bei Kontraktion auch eine Kopfbewegung auslösen. Viele Patienten zeigen eine Kombination von Zervikaler und Kranialer Dystonie im engeren Sinne. Die Zervikalen Dystonien sind durch unwillkürliche, abnorme Kopfbewegungen und durch unwillkürliche tonische Kopfstellungen gekennzeichnet. Die abnormen tonischen Kopf- und HWS-Stellungen können durch rhythmische Kopfbewegungen (Tremor capitis) überlagert sein. Weitere Symptome sind Kopf-, Nacken- und Schulterschmerzen sowie die Entwicklung von Muskelhypertrophien. Die Behandlung einer Zervikalen Dystonie mit Botulinumtoxin (Btx) setzt eine sorgfältige klinische Analyse voraus. Dabei spielt die Ausgangssituation eine wichtige Rolle, aber auch das Verhalten im Liegen, beim Gehen und Stehen sowie die Wirksamkeit von antagonistischen Gesten.

Bei der Injektion der verschiedenen Muskeln mit Wirkungen auf die Stellung der Halswirbelsäule und/oder des Kopfes orientiert man sich in der Regel an Injektionsschemata, die die Einbeziehung der einzelnen Muskeln mit angeben. Im Falle der Injektion in oberflächlich gelegene und gut tastbare Muskelgruppen sind in der Regel keine Hilfsmittel notwendig. Elektromyographisch kann mittels teflonisolierter Kanülen kontrolliert werden, ob die Spitze der Injektionskanüle in dem zu behandelnden Muskel nach den Schemata liegt. Im Falle der sicheren Identifizierung tiefer gelegener Muskeln sind spezifische MRT- und/oder CT-Darstellungen von Bedeutung. Die über CT- und/oder MRT-Untersuchungen dargestellte Volumenbestimmung einzelner Muskeln auch im Seitenvergleich trägt zu der Entscheidung bei, ob eine entsprechende dystone Hyperaktivität eines bestimmten Muskels tatsächlich vorliegt.

Bezüglich der Btx-Dosen für die einzelnen Muskeln orientiert man sich an allgemeinen klinischen Erfahrungen mit besonderer Berücksichtigung individueller Faktoren, die sich an der Dominanz abnormer Kopf- und HWS-Bewegungen und ggf. auch an einer festgestellten Hypertrophie ablesen lassen. Die Individualisierung der Dosisbereiche ergibt sich auch aus den Erfahrungen zuvor eingesetzter Injektionsschemata bezüglich Wirkung und Nebenwirkung.