Aktuelle Neurologie 2011; 38 - A16
DOI: 10.1055/s-0031-1276536

Rolle der Bildgebung bei der Diagnostik und Therapie der zervikalen Dystonien

G. Reichel 1
  • 1Zwickau

Die zervikalen Dystonien (ZD) sind die häufigsten umschriebenen Dystonien. Trotz über 20-jähriger Erfahrung mit der Botulinumtoxin(BTX)-Behandlung liegt in Doppelblind-Studien die Quote der subjektiv zufriedenen Patienten nur zwischen 50 und 75% (M. Kurth, C. Comella, J. Jankovic, M. et al. 2010). Ein wesentlicher Faktor für diesen niedrigen Prozentsatz scheint die Schwierigkeit der Identifizierung dystoner Muskeln zu sein. Unter den 8 phänomenologischen Grundformen der ZD sind Antekollis, Antekaput, Retrokollis, Retrokaput, Laterokollis und Laterokaput allein durch die klinische Untersuchung gut zu erkennen. Für jede dieser Formen sind definierte Muskeln verantwortlich (Reichel 2009). Dagegen sind Tortikollis und Tortikaput klinisch schwer zu unterscheiden. Hier liegt die Domäne der Bildgebung in der Diagnostik der ZD. Da mittels Ultraschall die tiefen Halsmuskeln kaum darstellbar sind, bleiben die MRT und die CT der Halsweichteile. Letztere sind zudem geeignet, anhand von Seitendifferenzen der Form und des Durchmessers dystone und gesunde Muskeln zu identifizieren. Zudem kann der Befund hypertrophischer und abgerundeter Muskeln einen psychogenen Schiefhals sicher ausschließen. Eine besonders elegante und strahlenarme Methode für die Differenzierung von Tortikollis und Tortikaput ist das CT-Knochenfenster zwischen C0 und C3: Die Stellung der Halswirbel (HW) 1, 2 und 3 zueinander und zur Schädelbasis in Winkelgraden erlaubt eine eindeutige Unterscheidung zwischen Tortikollis (alle 4 Ebenen weisen gleichen Drehwinkel auf) und Tortikaput (die Ebenen Schädelbasis und HW 1 weisen untereinander den gleichen Drehwinkel auf, aber zu HW 2 und HW 3 ist dieser different).

In über der Hälfte der Tortikaputfälle ist der M. obliquus capitis inferior in das dystone Geschehen einbezogen. Wegen der Nähe zum Spinalkanal ist eine BTX-Behandlung dieses Muskeln nur unter CT-Kontrolle möglich.