Aktuelle Neurologie 2011; 38 - A27
DOI: 10.1055/s-0031-1276542

Goal Attainment Scaling: Goldstandard der klinischen Therapiezieldefinition?

K. Fheodoroff 1
  • 1Hermagor, Austria

Therapieziele stellen ein zentrales Element des Behandlungsvertrages dar. Während die Erwartung des Patienten auf (maximale) Handlungsfähigkeit fokussiert, ist die Sicht des Behandlers eher durch die zugrunde liegende Krankheit und deren pathophysiologische Limits geprägt. Diese unterschiedlichen Perspektiven in allgemein verständliche Worte zu kleiden gelingt nur durch eine möglichst operationale Zielformulierung – ausgehend von der Erfassung der aktuellen Handlungsfähigkeit im jeweiligen Kontext gemäß den SMART-Regeln.

Die subjektive Wertigkeit der Ziele (Patientensicht) und der Grad der Schwierigkeit, das Ziel zu erreichen (Expertensicht) kann in die Zielformulierung Eingang finden. Damit kann der oft recht eingeschränkten Fähigkeit der Patienten, das Ausmass der Problemstellung realistisch einzuschätzen, Rechnung getragen werden.

Bei der Nachuntersuchung kann der Erfolg der eingesetzten Methoden für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar überprüft werden. Besonders schwierig zu erreichende Ziele müssen dann u.U. als „nicht erreicht“ gewertet werden; dies kann für weitere Behandlungszyklen durchaus hilfreich sein.

Darüber hinausgehend stellt „Goal Attainment Scaling“ (GAS) ein statistisches Verfahren dar, mehrere (heterogene) Ziele eines Patienten mathematisch zu erfassen und Veränderungen zu beschreiben. Die daraus gewonnenen Zahlenwerte (T-Wert, Δ-Wert) können zu Gruppenbetrachtungen und zu wissenschaftlichen Analysen herangezogen werden.

Mittlerweile wurde GAS in einigen qualitativ hochwertigen Studien eingesetzt. Daraus konnte auch ein durchaus praxisrelevanter Zielkatalog entwickelt werden. Der Vorteil gegenüber generischen Skalen (z.B. mAS, ARAT) liegt vor allem in der Erfassung und Analyse individuell unterschiedlicher Problemstellungen und deren Zielerreichung.

Für die klinische Praxis stellt die Berechnung der Zahlenwerte nur einen unwesentlichen Mehrwert dar. Im Vordergrund steht das Bemühen, den Patienten in seiner persönlichen Entwicklung im Umgang mit krankheitsbedingter Einschränkung der Funktionsfähigkeit zu fördern. Dazu reicht eine sorgfältige Zielformulierung sowie die Auswahl geeigneter Interventionen, die anhand der Zielüberprüfung evaluiert und modifiziert werden. Dies braucht Training und Erfahrung. Das Einbeziehen von Handlungen und Aufgaben aus standardisierten Messverfahren erscheint dabei unverzichtbar.