Zentralbl Chir 2012; 137(4): 371
DOI: 10.1055/s-0032-1315275
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Widmung für Herrn Professor Stelzner

Dedication to Professor Stelzner
U. T. Hopt
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Publication History

Publication Date:
29 August 2012 (online)

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

in dem nachfolgendem Artikel beschreibt Professor Dr. Dr. h. c. mult. Friedrich Stelzner die ontogenetischen und embryologischen Besonderheiten des ösophagogastralen Verschlusssystems und belegt seine über Jahrzehnte weiterentwickelten Hypothesen und pathophysiologischen Konzepte mit zusätzlichen neuen Befunden.

Dies ist uns zusammen mit der Tatsache seines 90. Geburtstags am 4. November 2011 Verpflichtung zu einem verspäteten Glückwunsch ad multos annos. Darüber hinaus ist uns die Würdigung dieser herausragenden Persönlichkeit und seines Lebenswerks ein besonderes Anliegen. Damit wollen wir auch den jüngeren Lesern und Chirurgen in unserer beschleunigten Zeit des Internets die Bedeutung von Vorbildern mit einer Lebenseinstellung als Chirurg und Arzt verdeutlichen, die geprägt sind von einer Wissenschaftsphilosophie in Wahrhaftigkeit und einem Faustʼschen Bemühen der Wahrheitsfindung.

Friedrich Stelzner wurde in Tschechien geboren und wuchs in Cheb auf, wo er die Schule besuchte, bevor er sein Medizinstudium in Berlin, Würzburg, Gießen und München absolvierte. Seine chirurgische Ausbildung erhielt er an der Universität Erlangen, wo er 1949 die Facharztanerkennung erhielt und 1952 mit einer Arbeit zur radikalen Entfernung des Rektumkarzinoms unter Beachtung der Kontinenzfunktion habilitierte. Inspiriert wurde er hierbei durch den Erlanger Ordinarius Otto Goetze, als dessen Schüler er bezeichnet werden kann und wodurch er eine lange Reihe herausragender Chirurgen mit dem Schwerpunkt der kolorektalen Chirurgie an dem Erlanger Lehrstuhl fortsetzte.

Seine weiteren chirurgischen Schritte waren neben einem prägenden Scholarship in London am St. Marks Hospital die Oberarzttätigkeit an der Universität Hamburg, wo seine Interessen am anorektalen Kontinenzorgan durch die Zusammenarbeit mit dem Anatom Werner Lierse weiteren Anschub erhielten. In Hamburg erhielt Friedrich Stelzner dann den Ruf auf die Lehrstuhlposition 1968, von wo er schon 1970 nach Frankfurt wechselte. Aus der Zusammenarbeit mit dem Anatomen Dietrich Stark entstand die Beschreibung der Faszienhüllen des Rektums als Grundlage der 40 Jahre später von Bill Heald „wiederentdeckten“ total mesorektalen Exzision beim Rektumkarzinom. Schließlich zog Friedrich Stelzner 1976 den Ruf aus Bonn einem gleichzeitigen Ruf aus Wien vor und leitete die dortige Universitätsklinik bis 1989.

Seit dieser Zeit ist Friedrich Stelzner jedoch weiter ununterbrochen und erfolgreich als klinischer Forscher aktiv und setzte neue Methoden wie PET-CT und funktionelles MR zur Aufklärung der pathophysiologischen Zusammenhänge bei anorektalen Erkrankungen und Funktionsstörungen, zu Fragen des Lymphabflusses und Anderem ein.

Rückblickend ist das Lebenswerk von Friedrich Stelzner vielfach gewürdigt und mit den höchsten Auszeichnungen geadelt. Neben den unzweifelhaften wissenschaftlichen Erkenntnissen ist sein Wirken aber auch ganz besonders durch seine Persönlichkeit gekennzeichnet. Verglichen mit Zeitgenossen wie Zenker, Heberer, Pichlmayr, Kern oder Herfarth, widmete sich Friedrich Stelzner von Anfang an grundlegenden klinisch-wissenschaftlichen Fragestellungen in einem begrenzten fachlichen Schwerpunkt. Er lebte die Spezialisierung, wie er sie im englischen System kennen und schätzen lernte in der Verbindung von Klinik, Lehre und Forschung. Diese Fokussierung und Hingabe war verbunden mit dem absoluten Willen, die „Wahrheit“ ausfindig zu machen, hinter die Dinge zu schauen und sie zu verstehen. Der langfristige Erfolg in diesem Bemühen stand immer im Vordergrund und nicht die schnelle Publikation und das Haschen nach dem momentanen Modethema oder Methodik. So entstanden Standardwerke und Arbeiten zum Rektumkarzinom, zum Hämorrhoidalleiden, Sinus pilonidalis oder zu anorektalen Fisteln neben grundlegenden Arbeiten zur Refluxerkrankung.

Neben dieser wissenschaftlich-chirurgischen Leistung, verbunden mit klinischen Leistungen, verstand es Friedrich Stelzner jedoch auch immer bis heute, durch präzise, wohldurchdachte Formulierungen und Gedankengänge seine Zuhörer zu fesseln. Dabei griff er aktuelle Themen auf und brachte sie in einen größeren Zusammenhang wie die Frage der symbolischen Chirurgie, der konservativen Chirurgie oder der Bedeutung des Genoms und der Stammzellen. Dabei sind seine Theorien hier öfters Anlass zu heftigen und kontroversen Debatten, aber auch immer Anregungen zum Überdenken von Hypothesen, Meinungen und Handlungsweisen.

In diesem Sinne ist uns allen Friedrich Stelzner herausragendes Vorbild und Leitbild in der akademischen Chirurgie wie im klinischen Alltag.

Ihre

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Ulrich T. Hopt
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Hans Lippert
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Karl-Walter Jauch