XX Die Zeitschrift für Frauen in der Medizin 2014; 3(4): 198-199
DOI: 10.1055/s-0034-1394170
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Akutes Koronarsyndrom (ACS) – Lebensqualität bei Frauen mit ACS schlechter als bei Männern

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Publication Date:
10 November 2014 (online)

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Frauen, die schon in jüngeren Jahren am akuten Koronarsyndrom (ACS) erkranken, empfinden im Vergleich zu Männern weniger physische und mentale Lebensqualität. Diesen Zusammenhang deckten kanadische Forscher um Sylvie S. L. Leung Yinko anhand einer Multicenter-Studie auf.

Im Zuge der Studie wurden 1213 ACS-Patienten aus Kanada, den USA und der Schweiz im Alter von 18–55 Jahren befragt. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stand hier die subjektiv empfundene gesundheitliche Lebensqualität der Patienten, welche auf Unterschiede zwischen den Geschlechtern untersucht wurde. Dabei legten die Forscher den Fokus nicht nur auf krankheitsspezifische, funktionelle Faktoren wie physische Einschränkungen, Anginafrequenz und -stabilität oder körperliche Krankheitswahrnehmung, sondern auch auf soziokulturelle Gegebenheiten wie beispielsweise die jeweilige Verantwortlichkeit im Haushalt, sozialer Rückhalt, Arbeitsstunden pro Woche, familiärer Verdienststatus (Hauptverdiener / Nebenjob), Femininität, häuslicher Stressstatus usw.

Zur Erfassung der Lebensqualität der Probanden nutzten die Autoren zwei validierte Fragebögen (Seattle Angina Questionnaire und Short Form-12), welche jeweils zum Zeitpunkt der Bestandsaufnahme, nach 1 Monat, 6 Monaten und 12 Monaten an die Studienteilnehmer versandt wurden. Anschließend werteten die Wissenschaftler die Daten aus.

Die Ergebnisse belegen, dass sowohl die physische als auch mental empfundene Lebensqualität von ACS-Patienten generell unter dem Durchschnittswert der gesunden Population liegt. Insgesamt berichtete der weibliche Anteil der ACS-Probanden noch signifikant niedrigere Qualitätswerte als der männliche Teil. Dabei zeigt die Analyse, dass soziokulturelle Variablen mit höherer Wahrscheinlichkeit zur subjektiven Empfindung einer schlechten Lebensqualität beitragen als physiologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Insbesondere sozialer Rückhalt und Verantwortlichkeit im Haushalt erwiesen sich als aussagekräftige Wirkungsvariablen mit hohem Einfluss auf die persönliche Lebensqualität.

Für Frauen war der soziale Rückhalt signifikant bedeutsamer als für Männer. Dies könnte laut Autoren daran liegen, dass Frauen im Zuge der traditionellen Geschlechterrolle neben den beruflichen Verpflichtungen auch oft für den Haushalt zuständig sind. Fehlt nach einem ACS-Ereignis der Rückhalt in der Familie, sei es möglicherweise schwieriger, in einen geregelten Tagesablauf zurückzufinden. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass sich ein hoher Grad an Femininität tendenziell in einer schlechten Lebensqualität äußert. Da die Wissenschaftler zur Bewertung der Femininität vor allem die Ausprägung empathischer Charaktereigenschaften untersuchten, vermuten die Forscher, dass an dieser Stelle möglicherweise auch eine Verbindung zur traditionellen Rollenverteilung und somit zu hohen Haushaltsverpflichtungen besteht. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass ältere Populationen mit einer stärkeren traditionellen Rollenverteilung im Bezug auf empfundene Lebensqualität vom Faktor ,Femininität' sogar noch stärker beeinflusst werden als jüngere Populationen. XX

Fazit

Die Forscher folgern aus dieser Studie, dass auf geschlechtsspezifische soziokulturelle Faktoren bei der ACS-Therapie eingegangen werden sollte, um die von den Patienten subjektiv empfundene Lebensqualität zu verbessern. Mehr Forschung sei zudem notwendig, um weitere Zusammenhänge bezüglich der Bedürfnisse junger ACS-Patienten herzustellen.

Dr. Maddalena Angela Di Lellis, Tübingen

Quelle: Leung Yinko SSL, Pelletier R, Behlouli H et al. Health-Related Quality of Life in Premature Acute Coronary Syndrome: Does Patient Sex or Gender Really Matter? J Am Heart Assoc 2014;3:e000901