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DOI: 10.1055/s-0034-1394181
„Viele konfessionelle Kliniken versuchen, besonders familiengerechte Arbeitsbedingungen anzubieten.“ – Interview mit Armin Ehl, Hauptgeschäftsführer Marburger Bund / Bundesverband
Publication History
Publication Date:
10 November 2014 (online)
Welche Vor- und Nachteile haben angestellte Ärztinnen eines konfessionellen Klinikträgers?
Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Noch mehr als in anderen Bereichen muss man sich hier den Einzelfall ansehen. Zum Einen ist es so, dass in Caritas und Diakonie, also in konfessionellen Krankenhäusern, in der Regel bei der Tariffindung der sog. „Dritte Weg“ gegangen wird. Die Festlegung des geltenden Arbeitsrechts erfolgt in einer Arbeitsrechtlichen Kommission (ARK). Normalerweise werden Tarifverträge, welche die Grundlage für Arbeitsverträge sind, von Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern verhandelt. Zum Beispiel sind die Kommunalen Kliniken zusammengefasst in der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). Das sind über 600 Kliniken in Deutschland, die einen Tarifvertrag mit dem Marburger Bund haben. Darin ist für die Ärztinnen und Ärzte der Verdienst, die Arbeitszeit, der Bereitschaftsdienst etc. geregelt. Die über 500 kirchlichen Krankenhäuser in Deutschland finden ihre Arbeitsrechtsregelungen in den schon erwähnten Arbeitsrechtlichen Kommissionen: diese sind zu gleichen Teilen mit Vertretern der Dienstnehmer und der Dienstgeber besetzt, um für beide Seiten akzeptable Lösungen zu erarbeiten. Gewerkschaften sind daran nicht beteiligt. Aus der Vorstellung einer Dienstgemeinschaft erwächst das Verbot eines Arbeitskampfes, d. h. es gilt in den konfessionellen Kliniken ein Streikverbot. Insofern muss man sich immer genau anschauen, wie die Arbeitsbedingungen in dem jeweiligen konfessionellen Krankenhaus sind. Das ist meines Erachtens für Ärztinnen bei der Orientierung schwieriger.
Und auf der anderen Seite?
Da ist es so, dass konfessionelle Krankenhäuser unter Umständen z. B. noch den sog. Ortszuschlag bezahlen. Das heißt, sie sehen sich an, ob Kinder da sind, und zahlen Zuschläge. Das gibt es in nicht konfessionellen Krankenhäusern quasi gar nicht mehr. Man könnte sagen, ab 2,5 Kindern lohnt es sich, in ein konfessionelles Krankenhaus zu gehen, wenn dort der Ortszuschlag noch bezahlt wird. Das wäre in finanzieller Hinsicht ein Vorteil für angestellte Ärztinnen.
Können sich Ärztinnen, die sich bei einer konfessionellen Klinik anstellen lassen möchten, auch beim Marburger Bund beraten lassen?
Selbstverständlich, wir machen da keine Unterschiede. Wir sind ja auch für verbeamtete Ärztinnen und Ärzte zuständig, die gar nichts mit Tarifverträgen zu tun haben. Wir sind nicht nur Ärztegewerkschaft, sondern auch ein Berufsverband. Die Arbeitsrechtliche Beratung, insbesondere auch für den ersten wichtigen Arbeitsvertrag, ist das Brot- und Buttergeschäft unserer Landesverbände. Die Beratung ist in dem Mitgliedsbeitrag enthalten.
Mit welchen Schwierigkeiten treten Ärztinnen und Ärzte, die in konfessionellen Kliniken angestellt sind, an den Marburger Bund heran?
Manchmal ist es so, wenn wir größere Tarifabschlüsse gemacht haben, dass aus konfessionellen Häusern die Frage kommt: Was ist mit uns? Wir müssen dann erklären, dass es im Dritten Weg keine Tarifverhandlungen gibt, erst die Arbeitsrechtlichen Kommissionen entscheiden oder es liegt gar im Ermessen der konfessionellen Kliniken bzw. des Klinikgeschäftsführers, ob sie sich an dem Marburger-Bund-Tarifvertrag orientieren.
Sorgt der „Dritte Weg“ für Intransparenz?
Die Arbeitsrechtlichen Kommissionen haben eine Mitarbeiterseite. Dort gibt es Infodienste, die den aktuellen Stand der Verhandlungen im Dritten Weg erläutern. Häufig sind die tarifvertraglichen Bedingungen in den konfessionellen Kliniken etwas schlechter als in den nicht konfessionellen Häusern oder sie werden zeitlich verzögert übernommen. Es empfiehlt sich daher, sich die jeweilige Situation für jedes Krankenhaus ganz genau anzuschauen und mit unseren Marburger Bund Landesverbänden vor Ort Kontakt aufzunehmen.
Welche Unterschiede gibt es noch beim Vergleich von konfessionellen mit nicht konfessionellen Klinikträgern?
In allen Krankenhäusern spielt heute das Thema Familienorientierung eine wesentliche Rolle. Viele konfessionelle Kliniken versuchen, besonders familiengerechte Arbeitsbedingungen anzubieten. Gleichzeitig ist – etwa bei katholischen Häusern – die Frage der Lebensführung nicht unwesentlich. Fragen wie Familienstand geschieden / wiederverheiratet können dienstrechtlich von Belang sein. Die Lebensführung, die Orientierung an der sog. Grundordnung für den Dienst in kirchlichen Einrichtungen, ist heute immer noch von arbeitsrechtlicher Bedeutung, zumindest in den katholischen Häusern.
Sind die Arbeitsbedingungen in den konfessionellen Kliniken aufgrund des Menschenbildes nicht dennoch attraktiver?
Gerade der Katholische- und der Evangelische Krankenhausverband haben vor einigen Jahren eine Initiative begonnen, bei der jeweils Menschen und Weltbild in den Vordergrund gestellt wurden. Das wird über das Leitbild dieser Kliniken vermittelt. Aber grundsätzlich sind alle Krankenhäuser dem Anspruch verpflichtet, kranken Menschen zu helfen. Der christliche Ansatz der Nächstenliebe und der Fürsorge wird letztlich in jedem Krankenhaus realisiert, wobei die konfessionellen Häuser dies aus ihrer christlichen Motivation heraus noch einmal stärker betonen. Ich nenne das eine ideologische Unterscheidung, die man machen kann, um sich bewusst für ein konfessionelles Krankenhaus zu entscheiden.
Was befürworten Sie an konfessionellen Häusern?
Auch wenn in konfessionellen Häusern das Geld, also Abrechnungspauschalen und Investitionszuschüsse, ebenso das überragende Thema ist wie in allen anderen Kliniken auch, werden dort auch Behandlungen durchgeführt, die nicht vom finanziellen Aspekt geleitet werden. Die ethische Verpflichtung spielt dabei meines Erachtens eine große Rolle. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Zeit, als das Thema HIV / AIDS aufkam. Da waren es manche katholische Kliniken, die aus ihrem ur-eigensten Selbstverständnis und ihrer Tradition heraus, die ersten Stationen aufbauten. Und zwar unabhängig davon, dass die Finanzierung damals noch nicht so eindeutig geregelt war, wie sie es heute ist. XX
Interview: Ulrike Hempel, Berlin
Beitrag online zu finden unter http://www.dx.doi.org/10.1055/s-0034-1394181