Zeitschrift für Palliativmedizin 2016; 17(05): 1-59
DOI: 10.1055/s-0036-1594084
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Besonders aufwändig“ für wen? Die Wohnumgebung der Patient*innen als professionelles Setting der SAPV

F Müller
1   Hochschule RheinMain, FB Sozialwesen, Wiesbaden, Deutschland
,
A Stolte
2   PalliativTeam Frankfurt gGmbH, Frankfurt a.M., Deutschland
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Publication Date:
13 December 2016 (online)

 

Die Ergebnisse des BMBF-geförderten Forschungsprojekts „Transdisziplinäre Professionalität im Bereich spezialisierter ambulanter Palliativversorgung“ zeigen, dass die Versorgung von Menschen mit einer nicht heilbaren Erkrankung am Lebensende in der „vertrauten Umgebung des häuslichen oder familiären Bereichs“ (§37 b SGB V) auch ein invasiver Prozess ist. Die Wohnumgebung der Patient*innen wird durch praktische Eingriffe zu einem Setting, in dem die professionelle Versorgung stattfindet. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive verstehen wir das Setting als den sozialen Raum, in welchem gegenläufige Logiken von Alltagswelt und professioneller Organisation aufeinandertreffen. Zur Herstellung einer abgestimmten Versorgungspraxis zwischen Fachkräften, Patient*innen sowie u.U. ihrer Angehörigen müssen die professionellen bzw. lebensweltlichen Alltagspraxen und Erwartungen aufeinander eingestellt sowie die Grenzen des Erwartbaren und des Machbaren austariert werden. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass das „besonders [A]ufwändige“ (§37 b SGB V) der Versorgung nicht allein im komplexen Symptomgeschehen der Erkrankung liegt (wie es §4 der SAPV-RL des G-BA festschreibt). Es umfasst zu einem erheblichen Teil auch die notwendige Arbeit am Setting. Auf der Grundlage der Forschungsergebnisse stellen wir ein Interventionskonzept vor, das die Arbeit am Setting selbst als Gegenstand professioneller Arbeit erfasst. Auf der Grundlage professionalitätstheoretischer Erkenntnisse wird eine Perspektivverschiebung vorgenommen. Das institutionell begründete Verhältnis von Fachkräften und Patient*innen wird in den Mittelpunkt einer besonderen „Qualität der Zuständigkeit“ im Sinne einer reflexiven Professionalität gestellt. Die Zugrundeliegenden Forschungsergebnisse wurden durch die Analyse ethnografisch ermittelter Daten mithilfe mit der Grounded Theory Method gewonnen. Das Konzept wurde im Rahmen einer Praxisforschung in Kooperation mit dem Palliativteam Frankfurt a.M. entwickelt.