Zeitschrift für Palliativmedizin 2016; 17(05): 1-59
DOI: 10.1055/s-0036-1594146
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Moral Distress unter Ärzten und Pflegenden in Therapiebegrenzungssituationen in der Hämatologie/Onkologie – Ergebnisse der EPAL-Studie (Ethics Policy for Advanced Care Planning and Limiting Treatment)

K Mehlis
1   Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, Universitätsklinikum Heidelberg, Medizinische Onkologie, Heidelberg, Deutschland
,
E Jaeger
2   Ludwig-Maximilians-Universität, Klinikum Großhadern, Medizinische Klinik und Poliklinik III, Psycho-Onkologie, München, Deutschland
,
F Mumm
2   Ludwig-Maximilians-Universität, Klinikum Großhadern, Medizinische Klinik und Poliklinik III, Psycho-Onkologie, München, Deutschland
,
K Laryionava
1   Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, Universitätsklinikum Heidelberg, Medizinische Onkologie, Heidelberg, Deutschland
,
W Hiddemann
2   Ludwig-Maximilians-Universität, Klinikum Großhadern, Medizinische Klinik und Poliklinik III, Psycho-Onkologie, München, Deutschland
,
P Heußner
2   Ludwig-Maximilians-Universität, Klinikum Großhadern, Medizinische Klinik und Poliklinik III, Psycho-Onkologie, München, Deutschland
,
EC Winkler
1   Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, Universitätsklinikum Heidelberg, Medizinische Onkologie, Heidelberg, Deutschland
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Publication History

Publication Date:
13 December 2016 (online)

 

Fragestellung:

Entscheidungen zur Therapiebegrenzung (TB) bei Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung gehen mehr als der Hälfte der zu erwartenden Todesfälle voraus. Sie sind jedoch häufig mit klinischen, ethischen und psychologischen Konflikten verbunden. Ein Ziel der Studie ist es, die moralische Belastung, Intensität und Ursachen auf Seiten der Ärzte und Pflegenden in TB-Situationen zu untersuchen.

Methodik:

In die prospektive Studie am Klinikum der Universität München wurden hämatologisch/onkologische Patienten (n = 50) eingeschlossen, bei denen eine TB festgelegt wurde. Es wurden Moral Distress (adaptiertes Distress Thermometer), demographische Daten,

Lebensqualität der Patienten sowie Schwierigkeiten und Zufriedenheit bei der TB-Entscheidung mittels eines standardisierten Fragebogens bei den behandelnden Ärzten (n = 35) und Pflegenden (für n = 42 der Entscheidungssituationen) erhoben.

Ergebnis:

Insgesamt geben Ärzte in 66% (n = 23) und Pflegende in 71% (n = 30) der TB-Entscheidungen eine Belastung durch moralischen Stress an. Diese liegt für die meisten Betroffenen unter dem Cut-off-Wert von 5 (mean/SD: 1,7/1,7 Ärzte; 1,8/1,7 Pflegende). Belastet sind vor allem jüngere Ärzte (p = 0,008) und jene, die unzufrieden mit der TB-Entscheidung sind (p = 0,003). Ebenso korrelieren niedrige Lebensqualität des Patienten (p = 0,025) sowie eine gegenteilige Einschätzung von Kollegen (p = 0,037) signifikant mit Distress. Auch bei Pflegenden tritt Stress vor allem dann auf, wenn die TB von einer schwierigen Kommunikation im Behandlungsteam begleitet wurde (p = 0,047).

Schlussfolgerung:

TB-Situationen, in denen Konflikte durch Meinungsverschiedenheiten und Kommunikationsprobleme mit Unzufriedenheit über die Entscheidung einhergehen, bergen offensichtlich ein besonderes Risiko für Moral Distress bei den Behandelnden. Ergebnisse der Studie flossen in die Entwicklung einer Leitlinie zur Verbesserung der Kommunikation und Dokumentation von TB-Entscheidungen ein (s. Einreichung Jaeger et al., 2016).