Zeitschrift für Palliativmedizin 2016; 17(05): 1-59
DOI: 10.1055/s-0036-1594150
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sterbewünsche in der Palliative Care – ein komplexes, multi-dimensionales Phänomen

K Ohnsorge
1   Hospiz im Park, Klinik für Palliative Care, Arlesheim, Schweiz
,
C Rehmann-Sutter
2   Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung der Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland
,
N Streeck
3   Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte, Universität, Zürich, Schweiz
,
H Gudat
1   Hospiz im Park, Klinik für Palliative Care, Arlesheim, Schweiz
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Publication History

Publication Date:
13 December 2016 (online)

 

Empirische Studien belegen, dass selbst unter der besten palliativ-medizinischen Versorgung einige Patienten Sterbewünsche äußern. Die ethische Diskussion, die nicht erst seit der Sterbehilfedebatte im Deutschen Bundestag aufgeflammt ist, konzentriert sich hauptsächlich auf die ‚dramatischste‘ Form des Sterbewunsches, den Wunsch, das Sterben zu beschleunigen, und die Frage, ob es ethisch gerechtfertigt sei, diesem Wunsch zu entsprechen. Dabei wird wenig beachtet, dass Sterbewünsche ein sehr viel komplexeres Phänomen sind, häufig auf vielfältigen Intentionen und Gründen beruhen und oft dynamisch verhandelt werden. In der palliativmedizinischen Versorgung ist es wichtig, diese in ihrer Komplexität und subjektiven Bedeutung zur verstehen. Wir berichten aus zwei qualitativen Studien mit 30 onkologischen und 32 nicht-onkologischen Patienten, ihren Angehörigen, Ärzten und Pflegenden, in verschiedenen Palliativ Care Settings in der Schweiz. Die Interviews untersuchten, was Patienten am Lebensende meinen, wenn sie einen Sterbewunsch äußern. Sie wurden methodisch analysiert auf der Basis von Interpretative Phenomenological Analysis und Grounded Theory. Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen in fortgeschrittenen palliativen Situationen unterschiedliche Dinge wünschen und dies subjektiv begründen, wenn sie einen Sterbewunsch haben. Die Daten zeigen auch, dass verschiedene Wünsche bezüglich des Sterbens gleichzeitig bestehen bzw. sich kurzfristig ändern können und dass Sterbewünsche durch das soziale Umfeld häufig beeinflusst sind. Ein Analysemodell zum besseren Verständnis von Sterbewünschen wird vorgestellt.