Zeitschrift für Palliativmedizin 2016; 17(05): 1-59
DOI: 10.1055/s-0036-1594155
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Haltungen zur Palliativversorgung und zur ärztlich assistierten Selbsttötung – eine repräsentative Bevölkerungsumfrage

S Jünger
1   Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Deutschland
,
N Schneider
1   Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Deutschland
,
B Wiese
1   Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Deutschland
,
J Vollmann
2   Ruhr-Universität Bochum, Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Bochum, Deutschland
,
J Schildmann
2   Ruhr-Universität Bochum, Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Bochum, Deutschland
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. Dezember 2016 (online)

 

Hintergrund:

Im Zuge der gesetzlichen Regelung zur Hospiz- und Palliativversorgung sowie zur assistierten Selbsttötung im November 2015 fand eine intensive öffentliche und gesundheitspolitische Diskussion statt. Empirische Daten zu Präferenzen und Werthaltungen der Bevölkerung sind in diesem Kontext von Belang. Ziel dieser Arbeit war daher die Erhebung von Einstellungen zu Palliativversorgung und ärztlich assistierter Selbsttötung.

Methodik:

Im Rahmen einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage wurden im Juni 2015 n = 1.598 Bürger/innen zu gesundheitsbezogenen Themen befragt. Der Fragebogen beinhaltete ein vorab pilotiertes Modul zu würdigem Sterben und ärztlich assistierter Selbsttötung. Die Datenauswertung erfolgte mittels deskriptiver Statistiken und bivariater Analysen (χ2-Tests).

Ergebnis:

Vorrangigste Aspekte für ein würdiges Sterben waren Freiheit von Schmerzen (54%), zu Hause zu leben (48%) sowie im Kreis von Familie und Freunden zu sein (47%). Nahezu 40% der Befragten konnten sich vorstellen, das eigene Leben trotz guter Palliativversorgung unter bestimmten Bedingungen vorzeitig beenden zu wollen. Hinsichtlich der erwarteten Konsequenzen, wenn Ärzte Hilfe bei der Selbsttötung leisten dürften, gaben 77% an, dass dadurch unnötiges Leiden verringert werden könnte; zugleich fürchteten 46% die Gefahr des Missbrauchs. Mehr als die Hälfte (58%) der Befragten war der Auffassung, dass Ärzte vorher mit einem palliativmedizinisch qualifizierten Kollegen Therapieoptionen zur Linderung von Leiden diskutiert haben sollten.

Schlussfolgerung:

Die Antworten zeugen von einer differenzierten Einstellung unter den Befragten. Ein breit aufgestelltes palliativmedizinisches Versorgungsangebot in Verbindung mit einem gesetzlichen und berufsrechtlichen Handlungsspielraum für die wenigen Patienten, die ihr Leben mit Unterstützung ihrer Ärzte selbst beenden wollen, scheint den Präferenzen und Werthaltungen von Menschen in der letzten Lebensphase am angemessensten Rechnung zu tragen.