Zeitschrift für Palliativmedizin 2016; 17(05): 1-59
DOI: 10.1055/s-0036-1594158
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Medizinische Entscheidungen und Handlungen am Lebensende – Eine Umfrage unter Ärzten und Richtern

J Scheu
1   Abteilung für Palliativmedizin, Universitätsklinikum, Jena, Deutschland
,
B van Oorschot
2   Interdisziplinäres Zentrum Palliativmedizin, Uniklinik, Würzburg, Deutschland
,
U Wedding
1   Abteilung für Palliativmedizin, Universitätsklinikum, Jena, Deutschland
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Publication History

Publication Date:
13 December 2016 (online)

 

Hintergrund:

Die Debatte über medizinische Entscheidungen und Maßnahmen am Lebensende erlebte in den letzten Jahren einen neuen Höhepunkt. Daher interessierten wir uns für die Einschätzung der Zulässigkeit lebensverlängernder und lebensverkürzender Maßnahmen durch Ärzte und Richter.

Methode:

Aufbauend auf einer Erstumfrage im Jahre 2004 wurde zwischen Februar und Juli 2015 eine web-basierte Umfrage unter einer repräsentativen Stichprobe von Internisten, Anästhesisten und Allgemeinmedizinern in Bayern, Westfalen-Lippe und Thüringen durchgeführt. Bundesweit wurden weiterbildungsberechtigte Palliativmediziner befragt. Über alle Amtsgerichte Deutschlands wurden auch die Betreuungsrichter zur Teilnahme eingeladen.

Unterschiedliche Aspekte medizinischer Entscheidungen am Lebensende wurden eruiert und mit den Ergebnissen der Befragung von 2004 verglichen.

Ergebnisse:

444 Ärzten (27%) und 153 Richter füllten den Onlinefragebogen aus. Die Patientenverfügung wird von den Ärzten im Vergleich der beiden Befragungen signifikant seltener für wenig hilfreich gehalten (21,5% (2004); 13,5% (2015), p = 0,001). Auch im Vergleich der Berufsgruppen 2015 ergab sich diesbezüglich ein statistisch relevanter Unterschied (Richter 25,5% (2015), p = 0,001). Der Aussage „Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe.“ stimmen signifikant mehr Ärzte als Richter zu (84% Ärzte vs. 56% Richter, p < 0,001). Beim Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen wird Ablehnung der Maßnahme durch einen Betreuer bei nicht entscheidungsfähigem Patienten in höherem Maße akzeptiert (Zulässigkeit der Unterlassung: Ärzte 45,9% (2004) vs. 75,6% (2015), p < 0,001; Richter 42,1% (2004) vs. 64,9% (2015), p < 0,001)).

Folgerungen:

Die Reflexion medizinischer Entscheidungen am Lebensende sollte weiterhin mehr Raum in Aus-, Fort- und Weiterbildung der Ärzte- und Richterschaft so wie im gemeinsamen Diskurs einnehmen.