Nervenheilkunde 2013; 32(01/02): 45-53
DOI: 10.1055/s-0038-1628479
Selbstverletzendes Verhalten 45
Schattauer GmbH

Temperaments- und Charaktereigenschaften und selbstverletzendes Verhalten bei Jugendlichen

Ergebnisse einer epidemiologischen Untersuchung an Schulen in BaselTemperament and character traits and nonsuicidal self-injury in adolescentsResults of an epidemiological study in schools in Basel
S. Hefti
1   Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel
,
T. In-Albon
2   Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Fakultät für Psychologie, Universität Basel
,
K. Schmeck
1   Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel
,
M. Schmid
1   Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

eingegangen am: 15 August 2012

angenommen am: 22 August 2012

Publication Date:
22 January 2018 (online)

Preview

Zusammenfassung

Selbstverletzendes Verhalten ist ein unter Jugendlichen weit verbreitetes Symptom. Die hohe Prävalenz legt nahe, dass Untergruppen von Jugendlichen mit selbstverletzendem Verhalten zu differenzieren sind. Die aktuelle Diskussion um die dimensionale Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen einerseits und die konsequentere Vergabe der Diagnose im Jugendalter andererseits unterstreicht den Wunsch nach einem Screeninginstrument für Persönlichkeitsstörungen bei Selbstverletzern. Untersuchungen im Erwachsenenalter legen nahe, dass das Temperaments- und Charaktermodell von Cloninger einen wichtigen Beitrag zur Identifikation von Persönlichkeitsstörungen leisten kann. Die Jugendversion des Temperament- und Charakter-Inventars (JTCI) wurde in einer Stichprobe von 447 im Durchschnitt 15-jährigen Schülern im neunten Schuljahr zum Einsatz gebracht, um zu überprüfen, inwiefern sich Jugendliche mit und ohne selbstverletzendem Verhalten bezüglich ihrer Temperaments- und Charaktereigenschaften unterscheiden. Die Ergebnisse zeigen, dass Jugendliche mit selbstverletzendem Verhalten eine signifikant niedrigere Selbstlenkungsfähigkeit aufwiesen, was sich mit Vorbefunden aus dem Erwachsenenalter deckt. Für weitere Aussagen zur prognostischen Validität sollte der JTCI in Längsschnittstudien mit selbstverletzenden und Kinder- und jugendpsychiatrischen Inanspruchnahmepopulationen mit und ohne Persönlichkeitsstörungen eingesetzt werden.

Summary

Non-suicidal self-injury is a widely-spread behaviour among adolescents. The high prevalence implies that subgroups of people engaging in non-suicidal self-injury should be differentiated. The actual discussion about the dimensional diagnostic in personality disorders on one side and the consequent assigning of this diagnosis in adolescence on the other side underlines the request of a screening instrument for personality disorders in persons with non-suicidal self-injury. Studies with adults suggest that Cloninger’s temperament and character model could make an important contribution to the identification of personality disorders. We applied, the youth version of the Temperament and Character Inventory (JTCI) in a sample of 447 pupils with an average age of 15 years. The aim was to test in what way the adolescents with and without non-suicidal self-injury differ in their temperament and character traits. In line with studies in adults the results indicate that the adolescents who engaged in nonsuicidal self-injury show significant lower self-directedness. For further conclusions about the prognostic validity the JTCI should also be used in longitudinal studies with a non-suicidal self-injurious and child and adolescent psychiatric population with and without personality disorders.