Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(01): 51-55
DOI: 10.1055/s-0040-100429
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Berufsbedingte Tumorerkrankungen: Was ist bei der Begutachtung zu beachten?

Assessment of occupational cancer: Important facts to consider
Klaus Schmid
1   Institut und Poliklinik für Arbeits-,Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg
,
Hans Drexler
1   Institut und Poliklinik für Arbeits-,Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg
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Publication Date:
12 January 2015 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund und Fragestellung | An einem Tumor erkrankte Personen, die an ihrem Arbeitsplatz humankanzerogenen Noxen ausgesetzt waren, müssen entschädigt werden, sofern die beruflichen Einwirkungen für die Erkrankung wesentlich waren. Die Begutachtung berufsbedingter Tumorerkrankungen ist jedoch besonders schwierig.

Methode | Die Autoren analysierten selektiv recherchierte Literatur und berücksichtigten in ihrer Auswertung Veröffentlichungen der Deu­tschen Gesetzlichen Unfallversicherung und juristische Regelwerke.

Ergebnis | Häufig ist retrospektiv keine Quantifizierung der beruflichen Exposition mehr möglich. Die Berechnung von kumulativen Expositionen vernachlässigt wichtige Einflussfaktoren, wie z. B. hohe Spitzenkonzentrationen. Häufig sind auch Personen der beruflich nicht exponierten Allgemeinbevölkerung den angeschuldigten Noxen ausgesetzt. So stellt sich die Frage, wie hoch die berufliche Exposition gewesen sein muss, um als rechtlich wesentlich zu gelten und wie außerberufliche Einflussfaktoren, wie z. B. genetische Suszeptibilität die gutachterliche Beurteilung beeinflussen sollen. Synkanzerogene Effekte werden im Berufskrankheitenrecht derzeit nur unzureichend berücksichtigt.

Folgerungen | Es kann im besten Fall lediglich eine sehr grobe Abschätzung der Verursachungswahrscheinlichkeit angegeben werden. Bei unzureichenden wissenschaftlichen Erkenntnissen müssen nach unserer Überzeugung zunächst „behelfsmäßig“, im gesellschaftlichen Konsens Empfehlungen erarbeitet werden, bei welchen beruflichen Einwirkungen eine Exposition als wesentlich im Sinne des Berufskrankheitenrechts anzusehen ist. Wenn aufgrund von Versäumnissen des Arbeitgebers keine verlässlichen Daten zur beruflichen Exposition vorliegen, so darf dies nicht zu Lasten des Versicherten gehen.

Abstract

Background | Persons suffering from malignant tumors who had been exposed to carcinogens at their workplace must be compensated if occupational exposure probably caused the disease. However, the assessment of the causes of cancers is particularly difficult.

Method | For the evaluation the authors analyzed selectively researched literature and considered publications of the German Social Accident Insurance and legal regulations.

Result | Often the quantification of the occupational exposure is not possible. Cumulative exposures neglect important factors, e.g. high peak concentrations. Even in the general population exposure to noxious agents occurs. This raises the question what amount of occupational exposure must be considered as sufficient for compensation and how non-occupational factors, such as genetic susceptibility, should influence the expert‘s opinion. Syncancerogenetic effects are currently not sufficiently considered in the legal ordinance on occupational diseases.

Conclusion | At best, only a very rough estimate of the probability of causation can be stated. If there is insufficient scientific evidence then there is a need of „makeshift“ recommendations within the social consensus, which occupational exposure is considered to be relevant for occupational disease. If there are no reliable data on occupational exposure due to failure of the employer, this should not be stacked against the insured.