Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2016; 51(02): 112-120
DOI: 10.1055/s-0041-103142
Fachwissen
Intensivmedizin: Topthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Multiresistente Erreger – Prävention und Diagnostik

Authors

  • Utz Reichard

  • Renate Rettkowski

  • Simone Scheithauer

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
07. März 2016 (online)

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Zusammenfassung

Multiresistente Keime spielen im klinischen Alltag eine zunehmend bedeutsame Rolle. Dieses besonders auf Intensivstationen bzw. in Risikobereichen. Oftmals herrschen Unklarheiten bezüglich diagnostischer Screening-Indikationen und Strategien zur Vermeidung von Übertragungen mittels Hygiene- und Isolierungsmaßnahmen. Wir geben einen orientierenden Überblick über die zur Zeit gängigen Empfehlungen und bewerten diese für Methicillin-resistente Staphylococcusaureus-Stämme (MRSA) und multiresistente gramnegative Bakterien (MRGN).

Abstract

Multiresistant bacteria play an increasingly important role in everyday clinical practice. This is particularly the case in intensive care units and wards with critically ill patients. Often there is insufficient knowledge concerning diagnostic screening indications and strategies to avoid cross-transmission via infection control strategies. Hereby, we provide an orienting overview and assessment about current guidelines and recommendations with special focus on methicillin-resistant Staphylococcus aureus (MRSA) and multiresistantgramnegative bacteria (MRGN).

Kernaussagen

  • S. aureus siedelt auf Haut und Schleimhäuten vorwiegend des Nasen-Rachen-Raums. Methicillin-resistente S.aureus-Stämme (MRSA) sind nicht virulenter als Methicillin-sensible Stämme (MSSA).

  • Grundsätzlich kann ein diagnostisches MRSA-Screening von Risikopatienten / -gruppen empfohlen werden. Eine Beschreibung von Risikogruppen wird in [Tab. 1] entsprechend der aktuellen KRINKO-Empfehlung gegeben. Für das Screening werden Nasen-/ Rachenabstriche und ev. Wundabstriche entnommen. Ein Ergebnis liegt nach ca. 24–48 h vor.

  • Neben der Basishygiene reduzieren Barrieremaßnahmen (Einzelzimmer bzw. Kohortierung, Barrierepflege, Schutzkleidung) die Übertragungshäufigkeit bei besiedelten Patienten. Die korrekte Händedesinfektion bleibt indes die wichtigste Einzelmaßnahme.

  • Eine Dekolonisierung von MRSA-Trägern sollte bei Nicht-Vorliegen dekolonisierungshemmender Faktoren im Rahmen eines Maßnahmenbündels versucht werden (i. d. R. topische Antibiotikabehandlung des Nasenraumes mit Mupirocin-haltiger Salbe, antiseptische Rachenspülungen etc.). Der Nachweis ihres Erfolges bedarf eines mind. 3-malig negativen Kontrollabstrichs.

  • Multiresistente gramnegative Erreger (MRGN) spielen eine zunehmende Rolle im klinischen Alltag. Ein sog. 4MRGN ist durch Resistenz gegenüber allen 4 gut verträglichen bakteriziden Antibiotikaklassen charakterisiert (Acylureidopenicilline, Cephalosporine der 3. und 4 Generation, Carbapeneme und Fluorchinolone).

  • Besonders die Bakterienspezies A. baumannii-Komplex, K. pneumoniae und S. marcescens neigen zur klonalen Ausbreitung und nosokomialen Ausbrüchen. Carbapenem-resistente Stämme sind in Deutschland noch vergleichsweise selten,. Mit einem verstärkten Eintrag aus dem Ausland muss in Zukunft gerechnet werden.

  • Eine unkontrollierte Ausbreitung von 4MRGN im Krankenhaus sollte unbedingt vermieden werden. Von der KRINKO wird deshalb ein aktives Screening auf 4MRGN für eine eng umgrenzte Patientengruppe empfohlen.

  • Lege artis durchgeführte Rektalabstriche sind essenziell, um eine ausreichend hohe Sensitivität für MRGN vom Enterobakterien-Typ (besonders Klebsiella) zu gewährleisten. Wenn eine Besiedelung mit Acinetobacter ausgeschlossen werden soll, können beidseitige Abstriche der Leistenregion sinnvoll sein. Bei Nachweis eines 4MRGN besteht eine Indikation zur Einzelzimmerisolierung. Eine Möglichkeit zur aktiven Dekolonisierung besteht hingegen z. Z. nicht.

  • Antiseptische Ganzkörperwaschungen sind – wie alle horizontalen Strategien – ein potenziell Kosten-Nutzen-effizienter Ansatz im Umgang mit MRE. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann die antiseptische Ganzkörperwaschung bei den nationalen Inzidenzdichten nosokomial erworbener multiresistenter Erreger anlassbezogen empfohlen werden.

Ergänzendes Material