neuroreha 2016; 08(02): 94
DOI: 10.1055/s-0041-107730
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Gehirn und Moral“ – hochaktuell und spannend präsentiert

Contributor(s):
Dörte Zietz
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Publication Date:
10 June 2016 (online)

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Der Titel „Gehirn und Moral“ lässt erstmal trockenen Lesestoff vermuten, jedoch wird der Leser durch die Autoren schnell in den Bann einer höchst spannenden Thematik gezogen. Diese wird eher wenig in der Ausbildung angesprochen, hat im Klinik- und Forschungsalltag jedoch weitreichende Folgen.

Jedes Buchkapitel beginnt mit einer Kasuistik, deren ethische Fragestellungen und Dilemmata im Anschluss intensiv, umfassend und verständlich besprochen werden. Da die Patientenbeispiele der täglichen klinischen Praxis entspringen, werden Therapeuten, Pflegekräfte und Ärzte mit Sicherheit den einen oder anderen ihrer Patienten in den Kasuistiken wiedererkennen: „Aha!- Effekte“ kommen beim Lesen sehr häufig vor. In der Aufarbeitung der Kasuistiken unter dem Fokus Ethik verstehen es die Autoren hervorragend, aus der historischen Perspektive und mit philosophischen Hintergründen den Leser auch durch komplexe Zusammenhänge zu führen. So beinhaltet das Buch z. B. einen Abriss der Entwicklung von Ethik in der Medizin, geht den Konstrukten von Herz- und Hirntod nach, setzt sich mit Tierversuchen auseinander und verschweigt auch nicht die unethischen Entscheidungen und Entwicklungen, die auf dem Weg zu heutigen Ethikstandards zurückgelegt wurden. Jedes Kapitel endet mit einer Schlussfolgerung, die das Kapitel zusammenfasst und gelegentlich Empfehlungen ausspricht. Vor allem regt die Schlussfolgerung den Leser zum Nachdenken an, da nicht alle ethischen Fragestellungen abschließend beantwortet und beurteilt werden können. Es wird immer deutlich, dass die kontinuierliche Diskussion von ethischen Fragestellungen im therapeutischen Team notwendig ist und die Entwicklung von Ethikstandards auf Grund des technischen Fortschritts noch lange nicht abgeschlossen sein wird.

Die Autoren bieten dem Leser weiterführende Informationen. Diese sind als Boxen im Text integriert, können jedoch getrennt vom Text gelesen werden. Eine umfangreiche Link- Liste komplettiert die zur Verfügung gestellten Informationen hervorragend.

Den Autoren ist ein umfassendes und aktuelles Werk gelungen, das sich thematisch von alltäglichen klinischen Fragestellungen, über Fragen zu Zufallsbefunden bei Forschungsarbeiten bis hin zu zukünftigen Technologien intensiv auseinandersetzt. Die Empfehlung an Therapeuten, Pflegekräfte und Ärzte, die im Bereich der Neurologie arbeiten oder Fachleute, die sich mit dem Thema Ethik im klinischen Alltag beschäftigen wollen ist glasklar: lesen, weiterempfehlen und mit Kollegen diskutieren!