Aktuelle Neurologie 2016; 43(05): 284
DOI: 10.1055/s-0042-108372
Buchbesprechung:
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Checkliste Neurologie

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Publication Date:
14 June 2016 (online)

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Schon das Erscheinen der erneut überarbeiteten und aktualisierten 6. Auflage 16 Jahre nach dem ersten Erscheinen dieses Taschenbuches und 3 Jahre nach der fünften Auflage spricht für sich. Trotz über 800 Druckseiten ist es noch handlich und wird wieder den Weg in viele Kitteltaschen finden. Die Checklisten haben sich ja in vielen medizinischen Themenbereich etabliert und durchgesetzt, wobei die Neurologie sicherlich eines der dafür prädestinierten Fächer ist.

Am bewährten Grundkonzept des Buches wurde nichts geändert: Auf einen gut 200 Druckseiten umfassenden Teil „Diagnostische Grundlagen und Therapieprinzipien“ folgen auf 80 Druckseiten die „Leitsyndrome und Leitsymptome“, bevor in dem gut 400 Druckseiten umfassenden Hauptteil die verschiedenen „Neurologischen Krankheitsbilder“ abgehandelt werden. Den Schluss des Buches bilden etwa 50 Druckseiten „Neurologische Intensivmedizin“.

Der Rezensent bittet um Nachsicht, dass er lediglich die Epilepsie-relevanten Abschnitte einer genaueren Bewertung unterzogen hat. Erfreulicherweise wurden dabei auch die aktuelle Literatur mit neuen Klassifikationsvorschlägen der Internationalen Liga gegen Epilepsie (z. B. „genetisch“ statt „idiopathisch“), und auch erst in diesem Jahr zugelassene Wirkstoffe (Brivaracetam) berücksichtigt. Insgesamt sind die entsprechenden Texte und Tabellen zur ersten Orientierung auch zweifellos gut brauchbar, stellenweise aber doch zu knapp oder auch missverständlich. So vermisst man in der Tab. 9.37 im Abschnitt „Leitsyndrome und Leitsymptome“ auf Seite 276 ohne weiteren Begleittext zumindest die myoklonischen Anfälle. Im Hauptabschnitt „Neurologischen Krankheitsbilder“ haben die epileptischen Anfällen und Epilepsien mit 40 Druckseiten ausreichend Raum. Bei den Grundlagen (S. 557) heißt es u. a. zutreffend, dass ca. 5% aller Kinder sog. Fieberkrämpfe erleiden, in der nächsten Zeile dann aber fälschlicherweise, dass auch bei nur ca. 5% der Bevölkerung mit einem einmaligen epileptischen Anfall zu rechnen sei. Die 5% der Kinder müssen natürlich hinzugerechnet werden (insgesamt bei ca. 10% aller Menschen im Verlauf des Lebens ein „akut symptomatischer“ oder „provozierter“ Anfall, die Hälfte davon bei Kleinkindern als Fieberkrämpfe). Bei den Erkrankungen mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten einer Epilepsie fehlen u. a. Hirntumoren, bei den metabolischen Störungen wird zwar die Hypernatriämie, nicht aber die Hyponatriämie erwähnt. Bei den einfachen fokalen Anfällen (Tab. 25.1 auf S. 558) fehlen die psychischen Anfälle. Valproat ist kein (auch kein schwacher) Enzyminduktor, sondern ein Enzymhemmer (S. 577) und der Wirkmechanismus (S. 588) besteht nicht nur in einer Na+-Kanal-Interaktion. Obwohl mehrere Studien die Überlegenheit von Lamotrigin und Levetiracetam nachgewiesen haben, werden zur Therapie bei älteren Patienten (S. 589) „bevorzugt Carbamazepin und Valproat“ genannt. Noch einige generelle Bemerkungen. Schon seit vielen Jahren hat man sich in der Epileptologie entschlossen, den Begriff „partiell“ durch „fokal“ (es gibt keine teilweisen Anfälle) zu ersetzen, die international üblichen Abkürzungen für Phenytoin und Primidon sind PHT und PRM (auch die Abkürzungen für andere Wirkstoffe sind teilweise nicht korrekt, so stellenweise für Lacosamid LAC anstelle LCM; S. 589). Bedauerlicherweise haben auch die neuen BfArM-Richtlinien von 2015 zur Therapie mit Valproat (keine primäre Gabe mehr bei Frauen im gebärfähigen Alter) keine Berücksichtigung gefunden.

Auch wenn ich hier eine Reihe kleinerer Kritikpunkte aufgelistet habe: Dies soll den Wert des Buches nicht schmälern, ist konstruktiv-kritisch gemeint und kann ja bei der nächsten Auflage berücksichtigt werden. Insgesamt zweifellos ein gutes Buch in gewohnter Thieme-Qualität, das wie die früheren Auflagen seinen Weg gehen wird!

Günter Krämer, Zürich