Dtsch Med Wochenschr 2018; 143(05): 360-361
DOI: 10.1055/s-0044-100327
Facharztfragen
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Eine 34-jährige Patientin mit Übelkeit, Erbrechen und abdominellen Schmerzen

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Publication Date:
05 March 2018 (online)

Eine 34-jährige Patientin mit Typ-1-Diabetes kommt mit Übelkeit, Erbrechen und starken abdominellen Schmerzen zur Aufnahme. Sie sehen eine krank wirkende Patientin, exsikkiert, Blutdruck 100/60 mmHg, Herzfrequenz 120/min. Es besteht ein ausgeprägter Druckschmerz im Ober- und Mittelbauch, außerdem Abwehrspannung. Der BZ liegt bei 320 mg/dl. Woran denken Sie?
Antwort

An eine Pseudoperitonitis diabetica bei Ketoazidose, außerdem natürlich an eine andere, nicht diabetesassoziierte Erkrankung im Abdomen, die zu einer Stoffwechselentgleisung geführt hat.

Kommentar

Pseudoperitonitis diabetica:

  • häufig irreführende Symptomatik mit Fehldiagnose einer akuten abdominellen Erkrankung

  • Umgekehrt sind abdominelle Erkrankungen häufig Ursache eines ketoazidotischen Komas!

Ein 38-jähriger etwas verwahrlost wirkender Patient kommt in die Notaufnahme. Bei ihm ist ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus bekannt. Er wirkt unruhig und aggressiv und klagt lautstark über Schmerzen im Mittelbauch. Bei der körperlichen Untersuchung besteht eine mäßige Schmerzhaftigkeit, keine Abwehrspannung. Es werden folgende Laborwerte erhoben:
  • Hb 12 g/dl

  • Leukozyten 13 000/µl

  • GPT 46 U/l, GOT 36 U/l

  • Amylase 445 U/l

  • BZ 350 mg/dl

Woran denken Sie?

Antwort

Die Amylase lässt an eine Pankreatitis denken. Differenzialdiagnostisch muss jedoch auch hier eine ketoazidotische Entgleisung eines Diabetes mellitus berücksichtigt werden.

Cave

Bei der Ketoazidose können Leukozyten, Transaminasen, CK und Amylase deutlich erhöht sein!

Sie werden im Notdienst zu einer 65-jährigen Patientin gerufen. Sie sei, so berichten die Angehörigen, schon seit dem Vortag etwas komisch gewesen, heute sei sie ganz verwirrt, liege im Bett und wolle gar nicht mehr aufstehen. Bei ihr sei ein mit Tabletten eingestellter Diabetes mellitus bekannt, allerdings gehe sie nicht oft zum Arzt. Im Schnelltest messen Sie einen BZ von 580 mg/dl. Was liegt vor?
Antwort

Ein hyperosmolares Koma.

Kommentar

Symptome des hyperosmolaren Komas:

  • häufig oligosymptomatisch

  • langsame Entwicklung der Bewusstseinstrübung

  • Inappetenz

  • Erbrechen

  • Schwäche

  • Kollapsneigung

Welche Befunde erwarten Sie bei der körperlichen Untersuchung?
Antwort

Im Vordergrund stehen häufig die Bewusstseinstrübung, eine Exsikkose (Hautturgor, weiche Bulbi), Hypotonie und Tachykardie.

Kommentar

Körperlicher Untersuchungsbefund bei hyperosmolarem Koma:

  • Bewusstseinstrübung

  • Nackensteifigkeit

  • herabgesetzte oder aufgehobene Eigenreflexe

  • Exsikkose

  • Hypotonie

  • Tachykardie

  • Tachypnoe

Wie wird die Diagnose gesichert?
Antwort

Auf dem Boden der Anamnese, des klinischen Befunds und insbesondere des massiv erhöhten BZ.

Kommentar

Diagnose des hyperosmolaren Komas:

  1. Anamnese, Klinik und deutlich erhöhter BZ

  2. Unabhängig vom klinischen Befund: jede Hyperglykämie über 600 mg/dl

Was tun Sie in dieser Situation sofort?
Antwort

Anlage eines intravenösen Zugangs und Flüssigkeitssubstitution.

Merke

Merke: Soforttherapie bei hyperosmolarem Koma → Infusion mit physiologischer Kochsalzlösung (8 – 10 ml/min).

Was planen Sie weiter?
Antwort

Prompte Krankenhauseinweisung.

Kommentar

Bei einem hyperosmolaren Koma ist eine stationäre Behandlung erforderlich.

Wie kündigt sich ein hyperosmolares Koma überhaupt an?
Antwort

Betroffen sind meist ältere Patienten mit Typ-2-Diabetes. Es kommt zu einer langsamen Zunahme der Beschwerden über mehrere Tage. Im Vordergrund steht die Schwäche, dann zusätzlich die beginnende Bewusstseinstrübung.

Kommentar

Verlauf des hyperosmolaren Komas:

  • häufig zunächst nur sehr geringe Symptomatik

  • langsamer Verlauf

  • Polyurie, Polydipsie, Dehydratation

  • Schwäche und Kollapsneigung

  • zunehmende Bewusstseinstrübung

  • Koma

  • Krampfanfälle

Wie kündigt sich das ketoazidotische Koma an?
Antwort

Unter Umständen gar nicht. Im Vordergrund steht die rasche Entwicklung der Beschwerden.

Kommentar

Verlauf des ketoazidotischen Komas:

  • keine Frühzeichen

  • rasche Entwicklung: wenige Stunden bis wenige Tage

  • ZNS-Symptomatik: Schwäche, Müdigkeit, Verwirrung

  • gastrointestinale Symptome: Appetitlosigkeit, Erbrechen, Oberbauchbeschwerden, Pseudoperitonitis diabetica

  • Polydipsie, Polyurie

Können Sie uns sagen, welche Ursachen zu einem hyperosmolaren Koma führen?
Antwort

Unter Umständen sind die Ursachen nicht identifizierbar. Daneben aber Flüssigkeitsverluste, gestörte oder verminderte Flüssigkeitsaufnahme und (relativer) Insulinmangel.

Kommentar
  • Auslöser eines hyperosmolaren, nicht ketoazidotischen Komas:

  • Insulinmangel

  • verminderte Flüssigkeitsaufnahme (Inappetenz)

  • vermindertes Durstgefühl

  • vermehrte Flüssigkeitsverluste (Gastroenteritis, Fieber, Schwitzen)

Eine 35-jährige Frau klagt über immer wieder auftretende Zustände von Schwäche, Unruhe, Zittern. Nach Einnahme von Traubenzucker kommt es rasch zu einer Besserung. Woran denken Sie?
Antwort

An eine Hypoglykämie.

Kommentar

Symptome der Hypoglykämie:

  • Parasympathikotone und sympathikotone Symptome:

    • Unruhe, Nervosität

    • Heißhunger

    • Tachykardie

    • Schwitzen

    • Tremor

  • Neuroglukopenische Symptome:

    • Kopfschmerzen, Schwindel

    • Müdigkeit

    • Verwirrung, Somnolenz

    • Krampfanfall

    • Koma

Welches ist die wichtigste diagnostische Maßnahme?
Antwort

BZ-Bestimmung im Anfall.

Kommentar

BZ bei Hypoglykämiesymptomen: Meistens BZ < 50 mg/dl.

Wissen Sie, was in diesem Zusammenhang mit der Whipple-Trias gemeint ist?
Antwort

Die nachgewiesene Hypoglykämie mit entsprechender Symptomatik und Besserung nach Gabe von Glukose.

Kommentar

Whipple-Trias:

  1. BZ < 45 mg/dl

  2. Hypoglykämiesymptome

  3. Besserung nach Glukose

An welche Ursachen denken Sie?
Antwort

An einen beginnenden Diabetes mellitus, eine Hypoglycaemia factitia, ein Insulinom, eine schwere Lebererkrankung, Alkoholexzess, Anorexia nervosa.

Kommentar

Ursachen der Hypoglykämie:

  • beginnender Diabetes mellitus

  • Hypoglycaemia factitia

  • Insulinom

  • Lebererkrankung

  • Alkoholexzess

  • Anorexia nervosa

  • Dumping-Syndrom nach Magenresektion

  • Hypophysen- und Nebennierenrindeninsuffizienz

  • reaktiv

Sie haben jetzt tatsächlich im Anfall einen BZ von 45 mg/dl gemessen. Welches ist der nächste Schritt in der Diagnostik?
Antwort

Eine sorgfältige Anamneseerhebung.

Kommentar

Diagnostik bei V. a. Hypoglykämie:

  • BZ-Bestimmung

  • Anamnese

  • Laboruntersuchungen

Was interessiert Sie bei der Anamnese am meisten?
Antwort

Tritt die Hypoglykämie im Nüchternzustand auf oder postprandial?

Kommentar

Anamnese bei Hypoglykämie:

  • nüchtern?

  • postprandial?

  • Einnahme blutzuckersenkender Substanzen? Medikamente (Insulin, OAD), Alkohol

Die Patientin berichtet, die Beschwerden würden meistens 2 – 4 Stunden nach dem Essen auftreten. Woran denken Sie?
Antwort

Meistens liegt eine reaktive, funktionelle Hypoglykämie vor ohne ganz große krankhafte Bedeutung, aber differenzialdiagnostisch muss insbesondere ein beginnender Diabetes mellitus berücksichtigt werden.

Kommentar

Differenzialdiagnose der postprandialen Hypoglykämie:

  • reaktiv, funktionell

  • beginnender Diabetes mellitus

  • Dumping-Syndrom nach Magenresektion

Nach: Berthold Block,

Facharztprüfung Innere Medizin,

3000 kommentierte Prüfungsfragen.

5., vollständig überarbeitete Auflage 2017

ISBN 9783 131 359 551