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DOI: 10.1055/s-0044-1785273
Deutlich weniger schwere und moderate Hypoglykämien und verbessertes HbA1c ein Jahr nach Deeskalation einer Intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT) bei 609 Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes
Hintergrund: Bei Stoffwechselentgleisung kann beim Typ-2-Diabetes Insulin indiziert sein. Zur raschen Rekompensation wird häufig eine intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT) verordnet. Die ICT erfolgt nach dem Basis-Bolus-Konzept mit schnellwirksamen Insulinen zu den Mahlzeiten und langwirksamen Insulinen, die tags- und nachtsüber wirken. Arzneimittelverordnungszahlen weisen auf eine hohe Prävalenz der ICT beim Typ-2-Diabetes hin. Nach Rekompensation erfolgt eine Therapie-Deeskalation möglicherweise zu zögerlich. Dabei schützt die ICT nicht vor diabetesassoziierter Morbidität oder Mortalität, aber sie geht im Vergleich zu anderen Therapieformen mit der höchsten Hypoglykämie-Rate einher, führt zu Gewichtzunahme und verursacht den größten Kosten- und Schulungsaufwand. Systematische Untersuchungen zum Effekt einer ICT-Deeskalation liegen nicht vor.
Methode: Bei 609 Personen mit Typ-2-Diabetes (Alter 64,9±13,0J, Diabetesdauer 14,6±9,6J, BMI 32,2±8,2 kg/m2, eGFR 96,8±53,9 ml/min) wurde die ICT auf eine weniger komplexe Therapie-Form deeskaliert. Umstellungen erfolgten Leitlinien-gemäß mit Anpassung oder Ergänzung der oralen Antidiabetika, wenn möglich in zielgruppenspezifischen, strukturierten Schulungsprogrammen. Gründe für die Umstellung waren Unzufriedenheit mit der Therapie-Form (27,3%; n=166), Nichterreichen des Therapieziels für HbA1c (48,2%; n=294) und Blutglukoseschwankungen und Hypoglykämien (24,5%; n=149).
Ergebnisse: Nach 11,9±6,6 Monaten konnten 97,5% (n=594) nachuntersucht werden. Die Therapie-Formen waren: kein Insulin (5,2%; n=31), intermediär wirkende (NPH-)Insuline zur Nacht (IIN; 4,9%; n=29), langwirkende Insuline (Basal unterstützte orale Therapie; 0,3%; n=2), intermediär- und kurzwirkende Insuline in fester Kombination (Konventionelle Therapie; 10,9%; n=65), kurzwirkende Insuline (Supplementäre Therapie; 4,0%; n=24), kurzwirkende Insuline und intermediär wirkende Insuline zur Nacht (Supplementäre Therapie plus IIN; 71,9%; n=427) und ICT (2,7%; n=16). Das HbA1c verbesserte sich von 8,6±1,8% auf 8,0±1,5% (p<0,001). Moderate bzw. schwere Hypoglykämien reduzierten sich von 1,3±4,5 auf 0,5±2,3/Woche/Patient (p<0,001) bzw. 0,039±0,193 auf 0,003±0,058/Jahr/Patient (p<0,001). Das Gewicht blieb unverändert (92,5±21,7 vs. 92,4±21,7 kg; p=0,759). Metformin-Verordnungen stiegen von 40,2 auf 59,6% (p<0,001).
Diskussion: Erstmals wurde eine Deeskalation der ICT in einer großen Kohorte von Personen mit Typ-2-Diabetes evaluiert. Ein Jahr nach Deeskalation wurden 2,6-fach weniger moderate und 13-fach weniger schwere Hypoglykämien beobachtet. Es kam zu einer Verbesserung des HbA1c ohne Gewichtszunahme. Nur bei 2,7% wurde die Deeskalation wieder rückgängig gemacht. Bei Personen mit Typ-2-Diabetes sollte eine Deeskalation der ICT regelhaft in Betracht gezogen werden.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
18. April 2024
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