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DOI: 10.1055/s-0045-1810706
Geschlechtsunterschiede in der Diagnosestellung von Betroffenen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen – Interimsanalyse einer deutschlandweiten multizentrischen Querschnittsstudie
Einleitung: Obwohl chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) – Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU) – alle Geschlechter betreffen, sind mögliche Unterschiede im diagnostischen Verlauf, etwa hinsichtlich Symptompräsentation, -bewertung und Diagnosezeit, bislang unzureichend untersucht.
Ziele: Ziel dieser Analyse ist es deshalb, geschlechtsspezifische Unterschiede in der prädiagnostischen Symptomatik und dem diagnostischen Weg bei CED systematisch zu erfassen und auszuwerten.
Methodik: In diese Interimsanalyse einer deutschlandweiten, multizentrischen Querschnittsstudie wurden 1180 Betroffene (770 Frauen, 410 Männer) aus 42 Zentren eingeschlossen. Mittels Online-Befragung wurden u. a. CED-Entität, Geschlecht, erste Symptome, Zeit bis zur ersten ärztlichen Konsultation, Facharzt-Überweisung und finalen CED Diagnose sowie Fehldiagnosen erhoben. Eingeschlossen wurden Personen≥18 Jahre mit bestätigter MC- oder CU-Diagnose seit mindestens drei Monaten.
Ergebnisse: Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der medianen Zeit bis zur ersten ärztlichen Konsultation nach CED Symptombeginn (MC: Frauen 3 [IQR: 1–12], Männer 3 [0,5–10] Monate, p=0,567, g=0,1; CU: Frauen 2 [0,8–5], Männer 1,3 [0,5–4] Monate, p=0,091, g=0,1) oder bis zur Facharzt-Überweisung (MC: 1,5 vs. 1 Monat, p=0,154, g=0,1; CU: 0,8 vs. 0,5 Monate, p=0,113, g=0,2). Die Zeit von Symptombeginn bis zur Diagnosestellung war bei Frauen signifikant länger (MC: 12 vs. 6,5 Monate, p=0,002, g=0,3; CU: 5 vs. 3 Monate, p=0,006, g=0,2). Auch die Fehldiagnoserate war bei Frauen signifikant höher (40,4 % vs. 34,4 %, p=0,044). Darüber hinaus zeigten sich geschlechtsspezifische Unterschiede in der initialen Symptomatik: Frauen mit MC berichteten häufiger über Durchfall ((p=0,005, ϕ=0), Übelkeit (p=0,013, ϕ=0) oder Arthralgien (p=0. 012, ϕ=0) im Vergleich zu Männern mit MC. Bei CU traten bei Frauen vermehrt Fieber (p<0,001, ϕ=0) oder Bauchschmerzen (p=0,004, ϕ=0) auf im Vergleich zu Männern mit CU.
Schlussfolgerung: Trotz vergleichbarer Zeitspannen bis zur ersten Konsultation und Facharzt-Überweisung erhielten Frauen mit CED ihre Diagnose signifikant später und litten häufiger unter Fehldiagnosen. Die beobachteten geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Symptompräsentation deuten darauf hin, dass diagnostische Ungleichheiten zumindest teilweise auf Unterschiede in der Symptomwahrnehmung und -bewertung zurückzuführen sein könnten.
Publication History
Article published online:
04 September 2025
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