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DOI: 10.1055/s-2000-7094-8
Patch-Clamp-Untersuchungen an rekombinanten GABAA-Rezeptoren mittels ultraschnellem Applikations-System
Publication History
Publication Date:
28 April 2004 (online)
Die Patch Clamp-Technik besteht darin, dass entweder ein Membranstück („Flicken” = patch) oder eine ganze Zelle (Whole-cell Patch) auf eine feinst ausgezogene Glaspipette (Patch-Pipette) aufgenommen wird. Entwickelt wurde dieses Verfahren Mitte der 70er Jaher von Erwin Neher und Bert Sakmann am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München (Nobelpreis 1991). Mit Hilfe der Patch-Clamp-Technik war es erstmals möglich, elektrische Signale auf Zellmembranebene zu registrieren. Insbesondere lassen sich membranständige Ionenkanäle funktionell erfassen. Gemessen werden hierbei transmembranäre Ionenströme. Das Prinzip der Apparatur besteht in einer Messelektrode und einer Referenzelektrode, die durch die Zellmembran elektrisch getrennt sind.
Was die eigentliche Patch-Technik betrifft, lassen sich zunächst zwei wichtige Formen einer Patch unterscheiden: Die Outside-out- und die Whole-Cell Patch (Abb. [1]). Welchen Patchmodus man wählt, hängt von mehreren Faktoren ab, wie z. B. Art des Zellmaterials, Adhärenzeigenschaft der Zellen, Art des Ionenkanals und methodologischem Setup.
Zelluläre Ionenkanäle sind aus mehreren transmembranären Protein-Untereinheiten aufgebaut und können einen offenen bzw. geschlossenen, d. h. für ein (meist) Kanal-spezifisches Ion passierbaren bzw. unpassierbaren Zustand annehmen. Je nach „Öffnungs-Trigger” lassen sich Spannungs-abhängige, wie z. B. Natrium-Kanäle, von Liganden-abhängigen Kanälen, sog. Rezeptor-gekoppelten Kanälen, unterscheiden. Liganden-abhängige Kanäle wiederum lassen sich als Kationen-spezifisch (und somit exzitatorisch wirksam), wie z. B. glutamaterge Rezeptoren, Serotonin (5-HT3)-Rezeptoren oder nikotinische Azetylcholin-Rezeptoren, oder als Anionen-spezifisch (und damit inhibitorisch), wie z. B. Glycin-Rezeptoren und GABAA-Rezeptoren (historisch: Benzodiazepin-Rezeptoren), klassifizieren. Unzählige pharmakologisch und toxikologisch bedeutsame Substanzen und nicht wenige erbliche Erkrankungen haben Ionenkanäle als Wirkort. Erst die Patch-Clamp-Technik ermöglichte hierbei einen fundierten experimentellen Zugang. Gerade vom anästhesiologischen Standpunkt aus ergeben sich daraus interessante Ansätze zur Untersuchung der Wirkung von Anästhetika auf molekularer Ebene.
Klinisch wirksame Anästhetika gehören den unterschiedlichsten Stoffgruppen an. Hierbei reicht das Spektrum von Edelgasen wie Xenon über Lachgas, halogenierten Kohlenwasserstoffen, Barbiturate und Diisopropylphenol bis hin zu Steroiden. Derzeit gelten Liganden-abhängige Ionen-Kanäle an den Knotenpunkten des neuronalen Informationsflusses als wichtige Schlüsselstellen für die Vemittlung der anästhetischen Wirkung. Unter ihnen wird besonders dem GABAA-Rezeptor-System, welches die inhibitorischen zentralnervösen Funktionen dominiert, besonderes Interesse entgegengebracht.
Für einige Anästhetika (Benzodiazepine, Barbiturate, Etomidate, Propofol, volatile halogenierte Kohlenwasserstoffe) konnte in den letzten Jahren der Nachweis einer Beeinflussung des GABAA-Rezeptors im Sinne einer Erhöhung des zellulären Chlorid-Influx durch den Rezeptorkanal erbracht werden [1] [2] [3] [4]. Die Induzierung von Sedierung, Hypnose oder Anästhesie durch die genannten Substanzen kann also zumindest teilweise durch eine Verstärkung des inhibitorischen GABAA-Rezepor-Systems erklärt werden.
Inhalt unserer Arbeiten ist seit einiger Zeit die Wirkung von N2O und Xenon auf den GABAA-Rezeptor. Für diesen experimentellen Ansatz war zunächst die Schaffung geeigneter Modelle notwendig. Als Modell für ein GABAA-Rezeptoren tragendes Neuron dient die etablierte Kulturzellinie HEK 293 (human embryonal kidney, „HEK”), die in nativer Form keine GABA-Rezeptoren exprimiert. Aus Rattenhirnen wird cDNA für definierte Untereinheiten des GABAA-Rezeptors rekombinant gewonnen und in als Transfektionsvektor dienende Plasmide eingebaut. In den zentralen Neuronen liegt der pentamere GABAA-Rezeptor überwiegend in der Untereinheiten-Zusammensetzung α1β2γ2 vor [5] [6]. Mittels Elektroporation werden nun drei verschiedene Plasmide (Vektoren), die entsprechend für diese Untereinheiten α1, β2 und γ2 codierende cDNA tragen, in HEK 293-Zellen eingeschleust. Dieser Vorgang heisst Transfektion. Bei der Elektroporation werden die Zellen für ca. 40 ms einem elektrischen Feld ausgesetzt, das die Zellmembranen für die Diffusion der Plasmide in die Zellen hinein kurz durchlässig macht. Ab etwa 4 - 8 Stunden nach Transfektion exprimieren die Zellen vorübergehend (für ca. 20 - 40 h) den entsprechenden α1β2γ2 GABAA-Rezeptor. Die Registrierung der von GABA als physiologischem Transmitter induzierten Ströme erfolgt schließlich mittels Patch-Clamp-Technik im Whole-Cell-Modus (Abb. [1]). Die mit einem speziellen Verstärker abgeleiteten Ströme werden digitalisiert und aufgezeichnet.
Als Modell für die synaptische Transmitter-Freisetzung dient ein in der eigenen Arbeitsgruppe entwickeltes Piezo-getriebenes Applikations-System (Abb. [2]), mit dem ein kompletter Lösungswechsel in der Rezeptor-Sphäre der Whole-Cell-Patch innerhalb ca. 1 ms möglich ist [7]. Zusammen mit der Hintergrundlösung befindet sich die Testlösung (mit dem Agonisten GABA) in laminarem Flow. Dadurch bildet sich zwischen Hintergrund- und Testlösung ein sehr scharfer Übergang. Die GABA-Applikation bzw. -Desapplikation erfolgt nun dadurch, dass die Testlösung Piezo-Kristall-getrieben an die Patch heran bzw. von der Patch weg geführt wird. Sind auf der Patch genügend viele Rezeptor-Kanäle exprimiert, kann ein GABA-induzierter Strom registriert werden.
Zur Untersuchung der Wirkung gasförmiger Anästhetika auf den GABAA-Rezeptor ist es erforderlich, das jeweilige Gase in Lösung zu bringen. Sobald sich die Patch in der zur Messung erforderlichen Position innerhalb des Applikationssystems befindet, wird die mit z. B N2O gesättigte Testlösung (mit definierter GABA-Konzentration) appliziert.
Im folgenden Beispiel (Abb. [3]) erhöht N2O reversibel die Stromamplitude von -234 pA auf -413 pA. Die Stromanstiegszeit, die ein Maß für GABA-Bindungsrate bzw. Kanal-Öffnungs-Rate darstellt, verkürzt sich unter N2O gleichzeitig von 179 ms auf 106 ms [8]. Diese Messergebnisse deuten darauf hin, dass N2O die inhibitorische GABA-Wirkung im ZNS verstärken könnte. Neben einer bereits beschriebenen Blockierung des exzitatorisch wirksamen NMDA-Rezeptors [9] könnte dadurch die anästhetische Wirkung von N2O mitbegründet sein.
An diesem Beispiel wird deutlich, wie sich die beschriebene Methode zur Untersuchung der Anästhetika-Wirkung an einzelnen Rezeptoren einsetzen lässt. In Zusammenschau mit den Ergebnissen anderer Untersuchungstechniken (z. B. Stopped-Flow-Fluoreszenz) leistet die Patch-Clamp-Technik zweifellos einen wesentlichen Beitrag zu den derzeit akzeptierten Modellvorstellungen über die Wirkung von Anästhetika auf zellulärer Ebene.
Literatur
- 1 Jones M V. et al . Enhancement of gamma-aminobutyric acid-activated CI-currents in cultured rat hippocampal neurones by three volatile anaesthetics. J. Physiol.. 1992; 449 279-293
- 2 Lin L H. et al . Molecular determinatns of general anesthetic action: role of GABAA receptor sturcture. J. Neurochem.. 1993; 60 1548-1552
- 3 Krasowsky M D. et al . Propofol and other intravenous anesthetics have sites of action on the γ-aminobutric acid type A receptor distinct from that for isoflurance. Mol. Pharmacol.. 1998; 53 530-538
- 4 Tanelian D L. et al . The role of the GABAA receptor/cloride channel complex in anaesthesia. Anesthesiology. 1993; 78 757-776
- 5 Chang Y. et al . Stoichiometry of a recombinant GABAA receptor. J. Neurosci.. 1996; 16 5415-5424
- 6 Möhler H. et al .The GABAA receptors: from subunits to diverse functions. In: Narahashi T (ed) Ion Channels Plenum Press, New York 1996 4: 89-110
- 7 Franke Ch. et al . Liquid filament switch for ultra-fast exchanges of solutions at excised patches of synaptic membrane of crayfish muscle. Neurosci. Lett.. 1987; 77 199-204
- 8 Hapfelmeier G. et al . N2O induces a leftward shift in the GABA response at recombinant GABAA receptors (GABAAR). Anesthesiology. 1999; 91 ((3 A)) A 796
- 9 Jevtovic-Todorovic V. et al . Nirous oxide (laughing gas) is an DNMDA antagonist, neuroprotectant and neutrotoxin. Nature Med.. 1998; 4(4) 460-463
Dr. Gerhard Hapfelmeier
Klinik fürAnaesthesiologie der Technischen Universität
München, Klinikum rechts der Isar
Ismaninger Straße 22
81675 München
Email: ghrh_patcher@hotmail.com