Serie „Akupunktur: alternativ - komplementär
- integrativ ?”
Vorbemerkung der Redaktion: In den letzten
drei Jahren haben wir in der DZA unterschiedliche Autoren zu einem Thema zu
Wort kommen lassen, das für die Weiterentwicklung der Akupunktur und der
traditionellen Chinesischen Medizin insgesamt von zentraler Bedeutung ist:
Stellt die Chinesische Medizin eine Alternative zur Westlichen Medizin dar,
soll sie komplementär eingesetzt werden, oder sollen wir danach streben,
eine neue, integrative Medizin zu entwickeln (Unschuld
DZA 1/2000, Ots DZA 3/2000, Frühauf DZA 1/2001)? Dieses Thema ist nach wie vor
aktuell, die verschiedenen Ansichten breit gestreut. Deswegen wollen wir diese
Diskussion fortsetzen, ihr gar einen breiteren Raum als bisher
gewähren.
Von Konfuzius ist uns die Bedeutung der
„Richtigstellung der Begriffe” überliefert. Aus diesem
Grunde wollen wir diese Diskussion als Serie für unsere LeserInnen
erkennbar gestalten und haben uns zu einem Titel entschlossen, der die
verschiedenen Ansätze charakterisiert: Akupunktur: alternativ -
komplementär - integrativ?
Es liegen uns bereits einige Manuskripte zu diesem Thema vor,
dennoch möchten wir alle unsere LeserInnen einladen, uns ihre Meinungen zu
den einzelnen Artikeln dieser Reihe in Form von Leserbriefen, kürzeren
oder längeren Stellungnahmen bzw. Artikeln zuzusenden.
Dreißig Speichen treffen die Nabe -
Die Leere
dazwischen macht das Rad.
Lehm formt der Töpfer zu
Gefäßen -
Die Leere dazwischen macht das
Gefäß.
Fenster und Türen bricht man in Mauern
-
Die Leere dazwischen macht die Behausung.
Das
Sichtbare bildet die Form eines Werkes -
Das Nicht-Sichtbare
macht seinen Wert aus.
Lao tse
Zusammenfassung
Wie können sich die traditionelle chinesische Medizin (TCM) und
die westliche Medizin gegenseitig fördern? Sollen wir uns zufrieden geben,
wenn ein sich gegenseitiges Akzeptieren und Nebeneinander beider Medizinen
erreicht ist, oder kann ein lebendiger Austausch entstehen? Die
Auseinandersetzung zwischen TCM und westlicher Medizin ist Teil der schon viele
Jahre geführten Debatte zwischen Wissenschaftlern, Philosophen,
Künstlern und auch Ärzten. Aus den eigenen inneren Widersprüchen
hat sich im Westen eine Wandlung entwickelt, die den west-östlichen
Diskurs entscheidend befruchten kann.
Im Zentrum dieser Debatte steht das Problem der im Westen
gewachsenen Trennung zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Körper und
Seele. Zuerst erschütterte die moderne Physik dieses Weltbild im Westen.
Wenn in der Psychotherapie bei Freud noch die alte
Haltung vorherrscht, so löste sich dies schon bei C.
G. Jung und zunehmend in der modernen Psychotherapie auf. In der
Philosophie überwindet besonders die Phänomenologie die Trennung von
Subjekt und Objekt und wird zur Philosophie des Leibes bei Hermann Schmitz.
Ich zeige am Beispiel der TCM und den somatopsychischen
Vorstellungen von Jochen Gleditsch und am Beispiel der
„Initiatischen Therapie” nach Dürckheim Aspekte der Verschiedenheit westlicher und
östlicher Grundhaltungen auf.
In der westlichen Rezeption der TCM ist aus meiner Sicht eine
dogmatische Haltung verbreitet. Wer für sein heutiges ärztliches Tun
kopierend chinesische Texte übernimmt, ohne die Fragen zu kennen und zu
erarbeiten, die der östlich-westliche Diskurs sucht, der schiebt als
Filter zwischen sich und den Patienten sowohl dicke, alte Bücher als auch
seine unreflektierten Gedanken und Gefühle. Ich nehme die TCM mit ihren
wesentlichen Gedanken und Haltungen dann ernst, wenn ich sie nicht kopiere,
sondern sie überprüfend, auch verändernd im Heute lebendig
werden lasse.
Abstract
How can TCM and western medicine be combined for mutual benefit?
Should we rest content, when mutual acceptance and the co-existence
of both is attained, or could it be possible that a living exchange will come
into existence? The conflict between TCM and western medicine is a part of a
years-long debate between scientists, philosophers, artists and physicians. The
inner conflicts inherent in this have led to the development of a change in
thought in the West that could prove extraordinarily fruitful for the East-West
discussion.
A central part of the debate is the Western separation of subject
and object, body and soul. Modern physics first shook the foundations of this
conception of the world in the western countries. While the old position still
dominates in Freudian psychoanalysis, this had already been given up by
C. G. Jung, and in modern psychotherapy it is
increasingly on the wane. In philosophy the New Phenomenology in particular has
overcome the separation of subject and object, becoming the philosophy of the
corporeal in the work of Hermann Schmitz.
Using the example of TCM and the somatopsychic conceptions of
Jochen Gleditsch, and also using the example of the
Initiatic Therapy of Dürckheim, I will
demonstrate some aspects of the difference between Eastern and Western
fundamental positions.
In my opinion a dogmatic attitude in the Western reception of TCM is
widespread. Those who merely imitatively apply Chinese texts for their medical
work, without knowledge of the questions which the East-West debate raises,
place a filter of heavy old books and of their own unreflected thoughts and
feelings between themselves and their patients. I am taking TCM and its
essential ideas and attitudes seriously only when I do not imitate it, but
rather apply it today as living knowledge, critically and, when necessary, with
alterations.