Erfahrungsheilkunde 2002; 51(2): 95-99
DOI: 10.1055/s-2002-20266
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Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Stress, Adaptation und Vollblutanalyse der Elektrolyte

Jürgen Heines
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Publication Date:
22 February 2002 (online)

Zusammenfassung

Stoffwechsel- und Abwehrsysteme werden bei externen Belastungen im Rahmen der hormonal-vegetativen Gesamtumschaltung an die jeweiligen Erfordernisse angepasst.

Je nach Konstitution, Disposition, Reaktionsphase und Dauer bzw. Schwere der Belastung erfolgt diese Umschaltung unterschiedlich weit entweder mehr nach der ergotropen oder nach der trophotropen Seite.

Infolge der Stoffwechselumstellungen werden auch die Konzentrationen von und die Relationen zwischen intra- und extrazellulären Elektrolyten verändert. Im Vollblut festgestellte Veränderungen im Elektrolythaushalt können demnach als Indikatoren für Qualität und Quantität der Stressverarbeitung herangezogen werden.

Abstract

In the case of external stress, metabolic and defense systems are adapted to the respective requirements within the framework of the hormonal and vegetative total change-over.

According to constitution, disposition, reaction phase, and duration or severity of stress, the degree of this change-over differs, it takes place either more into the ergotropic or into the trophotropic direction.

As a result of the metabolic reorganization, the concentrations of and the relations between the intracellular and the extracellular electrolytes are changed as well. Changes in the electrolyte balance, which were discovered in whole blood, can be used as indicators for the quality and quantity of overcoming stress.

Literatur

  • 01 von Uexküll Th., Wesiack W.. Theorie der Humanmedizin. München, U&S 1998
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  • 05 Schole J.. Über die Grundprinzipien der Belastungsadaptation. DVG, Giessen in: Das neue Stresskonzept 1997
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01 Um einer weiteren Begriffsverwirrung vorzubeugen, wurden die in der Stressforschung u.a.O. unterschiedlich benutzten Termini vermieden. Es wurden Beschreibungen an ihre Stelle gesetzt. Wer sich für die Terminologie interessiert, sei auf von Uexküll und Wesiack: ‚Theorie der Humanmedizin’, S. 26 ff. verwiesen. [[1]]

02 Dem entspricht die Einseitigkeit in der Forschung. Zur sympathico-adrenergen (syn.: katabol-sympathicoton) Seite des Stressgeschehens gab es 1994 über 200.000 Publikationen. Publikationen zur ‚vagotonen’ Seite (syn.: anabol-parasympathicoton) sucht man vergeblich (Schole [[4]]). Gleiches gilt für regionale und überregionale Kongresse zum Thema ‚Stress’. [[5]]

03 ‚Konstitution’ wird in der Sprache der Stressforschung als das Erbe der Anpassung verstanden, das jedes Lebenwesen aus dem phylogenetischen Adatationsprozess mitbringt.

04 ‚Disposition’ ist das Erbe der ontogenetischen Anpassung.

05 Weitere Einzelheiten finden interessierte Leser bei von Uexküll und Vester

06 Der Mensch ist - wie Portmann mit dem Modell des ‚sozialen Uterus’ [[10]] u.a. Entwicklungsbiologen und -psychologen gezeigt haben - sehr viel mehr von frühkindlichen sozialen Prägungen abhängig als gemeinhin berücksichtigt wird.

07 Jungen werden überwiegend zu einer leistungs- und objektbezogenen Reaktionsweise, Mädchen eher zu einer sozialen und beziehungsorientierten Haltung sozialisiert. Die erste führt - wie Untersuchungen an Menschen und Tierversuche gezeigt haben (Tailor [[14]]) - stressphysiologisch zu einer ‚fight or flight’-Haltung, die zweite zur ‚tend and befriend’-Haltung. In einem pathogenen Umfeld polarisieren sich diese Haltungen und führen zu geschlechtstypisch eingeengten Mustern. Man kann didaktisch eine typische Männerkrankheit (‚Managersyndrom’) von einer typischen Frauenkrankheit (‚grüne Witwe’) unterscheiden.

08 Die biologische Basisbehandlung ist auf die aktuelle Situation des kranken Menschen bezogen. Diese wird durch misslingende Anpassungsreaktionen bestimmt und erst im größeren Zusammenhang von seiner Geschichte. Diese spielt bei psychotherapeutischen Behandlungen und für den Bereich der primären Prävention eine Rolle, bei denen biographisch gewordene Strukturen und Verhaltensweisen verändert werden.

09 Im sozialen Kontext manifestiert sich diese biologische Schaltung als das von Männern und männlich dominierten Zivilisationen bevorzugte ‚fight-Muster’, das inzwischen in weiten Bereichen zu einer ‚win or flight’-Ideologie entartet ist.

10 Diese biologische Schaltung führt auf der Verhaltensebene zu der in der weiblichen Stressforschung untersuchten ‚tend and befriend’-Haltung (s.o. Tailor). Beide Muster zusammen ergeben erst einen die Evolution begünstigenden Sinn. Während das männliche Muster den ‚Schutz nach außen’ gewährleistet, tut dies das weibliche für den ‚Schutz im Inneren’.

11 Für kulturhistorisch Interessierte: Wir befinden uns hier in der Nähe taoistischen Gedankengutes - wie wir ja überhaupt mit dem Modell der polaren konstitutionellen Reaktion eine naturphilosophische Entsprechung zum binär-polaren Modell der TCM (‚Yin - Yang’, ‚Leere - Fülle’ etc.) haben.

12 Die Serumwerte sind hier nicht aussagekräftig.

13 Unter ‚Basistherapie’ werden hier verstanden unspezifisch wirkende Behandlungsformen der Naturheilkunde, ergänzt um energetische Behandlungen und die psychosomatische Grundversorgung (syn.: ‚kleine Psychotherapie’).

14 Der Begriff ‚Kranksein’ wird hier analog zu dem der Psychosomatik verwendet.

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