Aktuelle Neurologie 2002; 29: 8-11
DOI: 10.1055/s-2002-27795
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Antiepileptikainduzierte Störungen des motorischen Systems

Disorders of the Motor System Induced by AnticonvulsantsPascal  Grosse1
  • 1Neurologische Klinik und Poliklinik, Charité, Campus Virchow-Klinikum, Berlin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. Mai 2002 (online)

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Einleitung

Antiepileptikainduzierte Störungen des motorischen Systems zählen zu den reversiblen unerwünschten Wirkungen der medikamentösen antiepileptischen Therapie. Selbst wenn man die hinlänglich bekannte dosisabhängige akut-toxische Wirkung einiger Antiepileptika (AE) auf das Kleinhirn außer Acht lässt, müssen die durch AE hervorgerufenen Störungen der Motorik als häufige Nebenwirkung eingestuft werden. Systematisch erhobene epidemiologische Daten über die Inzidenz AE-induzierter motorischer Störungen, sei es substanzbezogen oder in Bezug auf die unterschiedlichen klinischen Syndrome, liegen allerdings nur in geringem Umfang vor, so dass sich nur aus Kasuistiken und wenigen Studiendaten die Relevanz einzelner motorischer Störungen bei den verschiedenen AE ablesen lässt. Bei vielen Fallberichten handelt es sich bei dem vermuteten Zusammenhang zwischen motorischer Störung und Antiepileptikaeinnahme lediglich um begründete Spekulationen, da nur selten eine Reexposition erfolgte und vielfach Patienten eine Polytherapie erhielten, weswegen synergistische pharmakokinetische oder pharmokodynamische Effekte kaum zurückverfolgt werden können. In keinem Fall ist eindeutig aus dem angenommenen Wirkmechanismus des AE auf die Pathogenese der Bewegungsstörung zu schließen, nicht zuletzt weil die Pathophysiologie, die den motorischen Störungen zugrunde liegen, kaum geklärt ist.

Störungen der Motorik, die durch AE induziert werden, können alle anatomischen Abschnitte des motorischen Systems betreffen, d. h. das 1. und 2. motorische Neuron, das Kleinhirn, das extrapyramidalmotorische System und nichtzerebelläre Abschnitte der Okulomotorik. Störungen des 1. motorischen Neurons sind vermutlich selten und waren bis vor kurzem nur für Phenytoin (DPH) bekannt [1] [2]. In den publizierten sechs Fällen war immer ein Zusammenhang mit einer nahe dem motorischen Kortex gelegenen strukturellen oder funktionellen Läsion gegeben. Zuletzt zog jedoch (Topiramat) TPM die Aufmerksamkeit auf sich, als über zwei Fälle mit transienten Hemiparesen, ebenfalls bei vorbestehenden strukturellen Hirnläsionen, berichtet wurde [3]. Therapierelevante Schädigungen des peripheren motorischen Neurons sind ebenfalls selten. Zwar konnten größere Studien die polyneuropathieinduzierende Wirkung von DPH, Carbamazepin (CBZ) und Phenobarbital (PB) [4] [5] nachweisen, sensomotorische Polyneuropathien mit klinisch fassbaren Paresen sind gegenüber rein sensorischen und subklinischen Polyneuropathien jedoch die Ausnahme und nur für DPH beschrieben [6] [7]. Nur vereinzelt wurde über isolierte externe Ophthalmoplegien bei DPH und CBZ berichtet [8] [9] [10], die teilweise unabhängig von einem zerebellären Syndrom oder anderen Bewegungsstörungen auftraten. Das hinlänglich bekannte und viel diskutierte Problem der Kleinhirntoxizität von AE und der hiervon unabhängige Zusammenhang von Kleinhirnatrophie und Epilepsie [11] [12] [13] wird im Folgenden außer Acht gelassen, da es ein eigenes Thema darstellt. Der Fokus wird vielmehr auf den extrapyramidalen, nichtzerebellären Bewegungsstörungen sowie den AE-induzierten Myoklonien liegen. Abschließend wird über Therapieansätze zur Behandlung von Bewegungsstörungen mit AE berichtet.

Literatur

Pascal Grosse

Neurologische Klinik und Poliklinik · Charité · Campus Virchow-Klinikum

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13353 Berlin