Aktuelle Neurologie 2002; 29: 40-43
DOI: 10.1055/s-2002-27801
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Teratogenität von Antiepileptika: Subtile und verzögerte Entwicklungsstörungen

Teratogenicity of Antiepileptic Drugs: Subtitle and Delayed Developmental DisordersSabine  Koch1 , K.  Titze2 , H.-C.  Steinhausen3 , Ulrike  Lehmkuhl2 , Hellgard  Rauh4
  • 1Rehabilitationsklinik für Kinder und Jugendliche, Beelitz-Heilstätten
  • 2Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Charité, Humboldt-Universität zu Berlin
  • 3Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Universität Zürich
  • 4Abteilung Entwicklungspsychologie, Institut für Psychologie der Universität Potsdam
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Stiftung Michael
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Publication Date:
03 May 2002 (online)

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Einleitung

Zu den subtilen Entwicklungsstörungen gehört das verminderte Körperwachstum. Es besteht die Möglichkeit eines Aufholwachstums, sofern nicht bleibende Schädigungen wie eine reduzierte Anzahl von Körperzellen oder hypothalamische Störungen vorliegen. Ein zu geringes Schädelwachstum (Mikrozephalie) beim Kind ist als äußeres Merkmal eines geringen Hirnwachstums zu werten. Klinische Untersuchungen lassen bei einer Mikrozephalie Rückschlüsse auf beeinträchtigte Hirnfunktionen zu.

Eine verzögert auftretende teratogene Wirkung kann sich an Hirnfunktionen bemerkbar machen. Im Tiermodell wird bei den gegenüber PHB exponierten Feten eine geringere Neuronenzahl gefunden, es kommt zu Störungen in der Synapsenbildung und dadurch vermehrtem Zelltod [1] und dies dosisabhängig [2]. Phenytoin (DPH) erweist sich ebenfalls als eine die Hirnentwicklung hemmende Substanz. Der Verschluss des Neuralrohres ist verzögert, die Neuronenzahl ist verringert. Wenn die DPH-Exposition beendet wird, lässt sich ein Aufholwachstum erkennen [3].

Mögliche teratogene Effekte können wegen der langen Reifung des Gehirns spät, eigentlich erst im Schulalter, sicher beurteilt werden. Schon in den ersten Beschreibungen über die teratogene Wirkung von Antiepileptika gegenüber den in utero exponierten Kindern wurde über deren geistige Beeinträchtigungen berichtet [4] [5].

Die frühe Entwicklung des Kindes unterliegt auch äußeren Einflüssen. Glücklicherweise hat das kleine Kind auch Ressourcen, ein Defizit aufzuholen, sofern die Verzögerung seiner Entwicklung reaktiver Natur ist, z. B. durch Erkrankungen bedingt. Einige der gegenüber Antiepileptika exponierten Kinder werden mit großen Fehlbildungen geboren und benötigen Operationen. Ein psychiatrisches Interview mit den Müttern der Berliner Epilepsiestudie ergab einen im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant höheren Depressionswert [6]. Eine depressive Mutter ist möglicherweise nicht in der Lage, die für das kleine Kind notwendigen sprachlichen Anregungen, Körper-Blick-Kontakte zu geben. Wenn diese äußeren Bedingungen sich ändern, wird das Kind mehr lernen und im günstigen Falle seine Entwicklungsverzögerung aufholen können.

Literatur

PD Dr. med. Sabine Koch

Rehabilitationsklinik für Kinder und Jugendliche

Paracelsusring 6 b

14547 Beelitz-Heilstätten