Zentralbl Chir 2002; 127(7): 608-609
DOI: 10.1055/s-2002-32837-2
Kommentar

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kommentar auf Anforderung der Schriftleitung

zur Arbeit von Kleimann et al.Invited CommentaryK.-H. Fuchs
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Publication Date:
11 May 2004 (online)

Der SHORT ESOPHAGUS

Das Thema SHORT ESOPHAGUS wird immer wieder sehr kontrovers erörtert. Es gibt sehr erfahrene Ösophaguschirurgen, die die Existenz dieses besonderen Problems in der Antirefluxchirurgie nie gesehen haben, und es gibt ähnlich Erfahrene, die über eine Prävalenz dieses umstrittenen Befundes von 2-10 % berichten [1 6]. Offenbar besteht ein Verständigungsproblem bezüglich der Definition. Nicht minder kontrovers wie über die Existenz und den korrekten Nachweis des „short esophagus” wird über die optimale chirurgische Behandlung des „kurzen Ösophagus” diskutiert.

Von einigen Autoren wird empfohlen, den „short esophagus” mit Hilfe der präoperativen Radiographie (Kriterien: eine 5 cm große Hiatushernie nachweisbar, die bei Aufstellen des Patienten nicht wesentlich reduziert wird) festzustellen [7]. Wer über eine teure Kinematographie-Anlage verfügt, kann den Schluckakt und die Speiseröhre-Bewegung dabei im Liegen und Stehen verfolgen und so die Diagnose etablieren [8]. Der erfahrene Endoskopiker wird bei Vorliegen von entzündlichen Veränderungen in der distalen Speiseröhre insbesondere bei Vorliegen einer Stenose und beim Ausmessen des Abstandes zur Cardia und der Zwerchfellöffnung durch tiefe Inspiration ebenfalls den Verdacht erheben können.

Radiographie und Endoskopie sind relevante Methoden, die bei positiven Befunden auf jeden Fall den Chirurgen dazu veranlassen sollten, beim Informations- und Indikationsgespräch mit dem Patienten, spätestens jedoch beim Aufklärungsgespräch zur Operation auf diese besondere Situation hinzuweisen. Dabei sollte der Patient über die höhere Wahrscheinlichkeit von Problemen und Komplikationen bzw. die Erweiterung des Eingriffs über eine normale laparoskopische (offene) Fundoplicatio hinaus informiert werden.

Beim Vorliegen dieser präoperativen Befunde, die auf ein Vorhandensein eines „short esophagus” hinweisen, entscheiden sich einige Chirurgen für einen transthorakalen Zugang, um eine besonders ausgedehnte Ösophagusmobilisierung zu erreichen [6] [7]. Andere setzen trotzdem die laparoskopischen Techniken ein, vielleicht weil man erstaunlich gut im unteren Mediastinum die Speiseröhre mobilisieren kann und die Erfahrung macht, daß in der Mehrzahl der Fälle die untere ösophageale Sphinkterregion sehr wohl über eine Strecke von 3-4 cm in das Abdomen zu präparieren ist [5] [9] [10].

Ist andererseits der Ösophagus nach Mobilisierung immer noch zu kurz für diese Strecke, d. h. gelangt man mit dem gastroösophagealen Übergang nicht spannungsfrei mehrere cm unterhalb des Zwerchfells, gibt es weitere Möglichkeiten des Vorgehens.

Der angeschlungene Ösophagus wird mit erhöhter Spannung nach kaudal gezogen und die laparoskopische Fundoplicatio vollendet, ggf. zusätzlich durch Zwerchfellpexien gesichert in der Hoffnung, dass das Gebilde im Abdomen bleibt und gut funktioniert. Diese Lösung ist am wenigsten erfolgversprechend, denn die Spannung, die auf der Manschette lastet, ist groß und kann zur frühen Migration der Manschette in den Thorax oder im späteren Verlauf zum Slippen des gastroösophagealen Übergangs durch die Manschette führen. Man erweitert die Operation durch eine Collis-Plastik, die von Erfahrenen gut laparoskopisch durchgeführt werden kann. Die wenigsten werden auf eine Thorakotomie umsteigen, um eine zusätzliche Ösophagusmobilisierung zu erreichen oder um eine intrathorakale Nissen-Manschette anzulegen. Wenige Kollegen werden in dieser Situation entscheiden, das Prinzip „Fundoplicatio” zu verlassen und eine distale Magenresektion und ggf. eine Roux-Y-Rekonstruktion vorzunehmen, um allen Reflux auf diese Weise auszuschalten. Eine wenig beachtete, aber weitere Alternative besteht in der besseren Verankerung des gastroösophagealen Übergangs im Abdomen durch eine posteriore Gastropexie an mehreren Punkten ähnlich wie es von Hill beschrieben ist (Hill, Law).

In der Arbeit von Kleimann et al. in diesem Heft werden die relevanten Probleme der präoperativen Diagnostik angesprochen und gleichzeitig angedeutet, dass es durchaus gelingen kann, auch bei Vorliegen einer präoperativ diagnostizierten 5 cm langen Hernie noch eine suffiziente Ösophagusmobilisierung durch die laparoskopische Technik zu erreichen. Verlässt man sich vollständig auf die radiologischen, ggf. endoskopischen Kriterien, kann man natürlich präoperativ bereits die Entscheidung für ein transthorakales Vorgehen treffen, was in erfahrenen Händen gute Resultate bietet, bei z. B. Collard et al., die eine intrathorakale Nissen-Manschette anlegen.

In den meisten Zentren sind diese Befunde eine Seltenheit. Die Entscheidung über die Erweiterung des Eingriffs führt in eine andere Dimension der Belastung des Patienten und der möglichen Morbidität, z. B. durch das transthorakale Vorgehen im Vergleich zur laparoskopischen Antireflux-Operation und fällt sowohl dem Patienten als auch dem Chirurgen schwer. Allein aufgrund dieser Überlegung werden viele Chirurgen diese Entscheidung bis zur intraoperativen Situation zurückstellen. Intraoperativ (beim laparoskopischen Vorgehen) bleibt letztlich der Ausweg, eine Collis-Plastik anzulegen, die jedoch relativ insuffiziente Ergebnisse aufweist. Bis zu 50 % der Patienten haben weiterhin pathologischen Reflux und benötigen eine antisekretorische Medikation [1 3] [11 14].

In der eigenen Erfahrung waren bei insgesamt 400 primär laparoskopischen Eingriffen 3 Collis-Plastiken notwendig. Kritiker könnten behaupten, dass unsere Rezidivrate mit 7 % auf eine UnterschÌtzung des „short esophagus” zurückzuführen ist, da 80 % der Rezidive auf eine intrathorakale Migration der Manschette oder einen „slipped Nissen” zurückzuführen waren. Diese Rezidive waren jedoch nicht zwangsläufig mit einer präoperativ großen (> 5 cm) Hernie assoziiert, sondern z. B. auch mit anderen Situationen; insbesondere waren einige Migrationsprobleme mit einem mangelnden Zwerchfellverschluß aufgrund der schlechten Muskelsituation der Zwerchfellschenkel zu erklären bzw. durch klaffende Zwerchfellschenkel, die nur unter Spannung zu adaptieren waren.

Kleimann et al. berichten über die laparoskopische Collis-Plastik und zeigen somit eine Möglichkeit der Versorgung dieser Problemfälle auf. Es gibt jedoch eine Reihe von Alternativen, so z. B. der schon angesprochene transthorakale Nissen mit intrathorakaler Position, der transthorakale Zugang zur erweiterten Möglichkeit der Ösophagusmobilisierung, die distale Magenresektion oder auch die posteriore Gastropexie und Teilfundoplicatio. Vergleichsstudien zwischen diesen verschiedenen Techniken liegen nicht vor, so dass es eine individuelle Entscheidung des Chirurgen bleibt, welche Technik er vorzieht. Wenn man die Literatur betrachtet, so scheint die populärste Variante die Collis-Plastik zu sein, die aber problematische Ergebnisse aufweist. Gute Ergebnisse wurden mit der intrathorakal positionierten Nissen-Manschette berichtet sowie mit der posterioren Verankerung durch Gastropexie.

Voraussetzung für die Entscheidung ist eine optimale präoperative Diagnostik, um mit den Patienten die besondere Problematik und die eventuelle Ausweitung des Eingriffs zu besprechen. Auf jeden Fall erscheint es sinnvoll, durch geeignete Maßnahmen bereits bei der primären Operation den besonderen Schwierigkeiten des „short esophagus” Rechnung zu tragen, denn bei einem Rezidiv-Eingriff sind schlechtere Verhältnisse zu erwarten und eine höhere Morbidität einzurechnen, sowie eine Zunahme der Kosten und eine höhere Belastung für den Patienten wahrscheinlich.

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    Prof. Dr. K.-H. Fuchs

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