Ultraschall Med 2002; 23(5): 299-301
DOI: 10.1055/s-2002-35055
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Stufen der Aus- und Weiterbildung in Ultraschalldiagnostik

Levels of training in diagnostic ultrasoundK.  Jäger 1
  • 1Prof. Dr. K. Jäger, Leiter Abteilung Angiologie, Universitätskliniken, Kantonsspital, CH 4031 Basel
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Publication Date:
25 October 2002 (online)

Den deutschsprachigen Ländern wird eine ausgeprägte Vorliebe für Reglemente und ein Hang, alles und jenes mit Verordnungen und Satzungen zu versehen, nachgesagt. Dies trifft wahrscheinlich auch für die drei Ultraschallgesellschaften, die Deutsche (DEGUM), Österreichische (OEGUM) und Schweizerische (SGUM) Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin zu. Die Gesellschaften sind klar strukturiert, die Aufnahmebedingungen definiert und auch Aus-, Weiter- und Fortbildung sind, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, zumindest in Arbeitspapieren festgelegt [1] [2] [3] [4] [5]. Diese Aussage kann nicht europaweit verallgemeinert werden, da in verschiedenen anderen europäischen und wahrscheinlich auch außer-europäischen Ländern und deren Gesellschaften, nach unserem Empfinden, nur lose Strukturen vorhanden sind.

Die Europäische Föderation der Gesellschaften für Ultraschall in Medizin und Biologie (EFSUMB) ist der Dachverband der europäischen Ultraschallgesellschaften. Sie umfasst mehr als 15 000 Mitglieder in 25 Ländern. Eine ihrer Arbeitsgruppen beschäftigt sich mit der Schulung und der Standardisierung der Ultraschalldiagnostik (Education and Professional Standards Committee). Zur optimalen Ausrichtung der zukünftigen Aktivitäten musste vorerst der aktuelle europäische Stand der Schulung erfasst werden, weshalb diese Arbeitsgruppe vor zwei Jahren an alle Gesellschaften einen Fragebogen verschickte [6]. Gefragt wurde unter anderem: Wer führt die Ultraschalluntersuchungen durch? Gibt es gesetzliche Zulassungsbeschränkungen? Wird eine minimale Schulung in Ultraschalldiagnostik verlangt? Gibt es theoretische und/oder praktische Prüfungen als Zulassungsbedingung? Wer bestimmt die Ausbildungskriterien, respektive den Schweregrad der Prüfung, und wer führt diese durch? Diese Fragen wurden spezifiziert für verschiedene Fachspezialisierungen wie Radiologie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Gastroenterologie, Kardiologie und Angiologie. Des weiteren wurde auch nach den Aufnahmebedingungen in die jeweilige nationale Gesellschaft gefragt, wobei speziell interessierte, ob eine definierte Aus- und Weiterbildung Voraussetzung für die Aufnahme sei.

Das Spektrum der Antworten konnte wohl vielfältiger nicht sein. Auch in einem politisch geeinten Europa lässt sich kaum eine einheitliche Tendenz ausmachen. Die Unterschiede zwischen den Landesorganisationen sind fundamental und zum Teil bestehen immense Unterschiede innerhalb eines Landes zwischen den verschiedenen Fachspezialitäten. Erkennbare Gemeinsamkeit war einzig das Fehlen gesetzlicher Zulassungsbedingungen zur Durchführung sowie zur Abrechnung der von Ärzten durchgeführten Ultraschalluntersuchungen. Obwohl keine umschriebene Verpflichtung zur Aus- und Weiterbildung in Ultraschalldiagnostik besteht, werden in den meisten europäischen Ländern Kurse angeboten. Dass diese sowohl bezüglich Inhalt als auch Umfang vielerorts mangelhaft sind, muss nicht weiter ausgeführt werden [4]. Beim oberflächlichen Betrachten mag die europäische Vielfalt und das Fehlen einer einheitlich strukturierten Schulung überraschen. Teilweise lassen sich die nationalen Unterschiede durch die jeweiligen Gesundheitssysteme, welche in jedem Land individuell organisch gewachsen sind, erklären. Was in einem Land funktioniert, kann nicht unbesehen auf ein anderes übertragen werden. Am einfachsten lässt sich dies am Beispiel der nicht-ärztlichen Untersucher - Sonographers oder Medizinisch Technische Assistenten - illustrieren. In etwa der Hälfte der europäischen Länder führen Sonographers, welche meistens eine solide Ausbildung durchlaufen haben, unter ärztlicher Kontrolle Untersuchungen durch; in anderen Ländern ist deren Tätigkeit nicht zugelassen, respektive deren Leistung kann nicht verrechnet werden. Mit dem notwendigen Verständnis für die jeweiligen nationalen Gegebenheiten der Nachbarländer ist hier vor allem die europäische Solidarität gefragt. Es macht wenig Sinn, dass jede Ultraschallgesellschaft eigenständig “das Rad” neu erfinden und die schlechten Erfahrungen ebenfalls durchlaufen muss.

Offensichtlich besteht Handlungsbedarf. Die bereits erwähnte Arbeitsgruppe der EFSUMB kam aus den erwähnten Gründen zur Konklusion, dass nicht hochspezialisierte und feinst ziselierte Empfehlungen, sondern grundlegende Strukturen benötigt werden. Sie hat daher das Dokument “Minimum training requirements for the practice of medical ultrasound in Europe” erarbeitet und in Vernehmlassung gegeben. Ohne bereits jetzt auf Einzelheiten eingehen zu wollen, verdient die Stufeneinteilung besondere Erwähnung. Die Ultraschalldiagnostik wird auf verschiedenen Niveaus praktiziert und so scheint es naheliegend, auch die Schulung, das Training sowie die Akkreditierung einem Stufenplan zuzuordnen. Es werden drei Stufen vorgeschlagen: (I) Basistraining zur Grunduntersuchung, (II) fortgeschrittene Stufe und (III) Spezialisierung.

Diese Dreiteilung mag für einige KollegInnen überraschend sein. Die EFSUMB steht aber mit diesem Vorschlag nicht alleine da. Die Weltföderation der Ultraschallgesellschaften (WFUMB) hat, unter Mitarbeit von Vertretern der EFSUMB und DEGUM, zuhanden der Weltgesundheitsorganisation WHO ein ähnlich ausgerichtetes und ebenfalls auf drei Stufen basierendes Trainingsprogramm vorgeschlagen [7]. Das Konzept wurde bereits früher in der Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe der DEGUM entwickelt und hat sich dort offensichtlich bestens bewährt [2] [3] [4]. Die geistigen Väter des Dreistufenplans werden hoffentlich weiterhin eine Vorreiterrolle übernehmen und ihr Konzept weitertragen.

Die Ultraschalltechnik breitet sich weiterhin rasch aus und ist das am weitesten verbreitete bildgebende diagnostische Verfahren. Die Methodik hat sich dank technischer Fortschritte vereinfacht und ist anwenderfreundlicher geworden. Tragbare Geräte erleichtern und erweitern zusätzlich den Einsatz [8]. Die Aussage, wonach die Ultraschallsonde dem Stethoskop des modernen Arztes entspricht, gewinnt immer mehr an Gewicht. Unbestritten können aber nicht alle Anwender den höchsten Anforderungen entsprechen - es wäre nicht realistisch, dies zu postulieren. In der angelsächsischen Welt spricht man von primary, secondary und tertiary care. Eine ähnliche Stufeneinteilung gibt es auch bei unserer medizinischen Versorgung, zumindest im stationären Sektor. Der vorgeschlagene Stufenplan passt daher gut in das bestehende Konzept. Hat dieser sich aber erst einmal in unseren Köpfen eingenistet, beginnt erst die grosse Arbeit. Das Schema muss mit den entsprechenden Inhalten und Richtlinien ausgefüllt werden. Damit sind wir wieder bei unserem Hang zur Erarbeitung von Reglementen, welche uns zur Pioniertätigkeit stimulieren sollte.

Literatur

  • 1 DEGUM-Richtlinien für die Aus- und Weiterbildung in der Ultraschalldiagnostik. Ultraschall in Med 2001 22: M 25-M 27
  • 2 Merz E. DEGUM-Standards zur Ultraschalluntersuchung in der Gynäkologie und Geburtshilfe.  Ultraschall in Med. 2001;  22 1
  • 3 Merz E. DEGUM-Standards in der gezielten pränatalen Ultraschalldiagnostik (18 -22 Schwangerschaftswochen).  Ultraschall in Med. 2001;  22 199
  • 4 Seitz K, Weiss H. Train the trainer - Didaktikschulung lohnt sich für die Ultraschallausbildung.  Ultraschall in Med. 2002;  23 231-232
  • 5 Stiegler H, Habscheid W, Ludwig M. Leitlinien zur Diagnostik der tiefen Becken-/Beinvenenthrombose.  Ultraschall in Med. 2002;  23 274-278
  • 6 Irving H. Training and accreditation: A report from the EFSUMB Education and Professional Standards Committee.   EFSUMB Newsletter. 2000;  14 20
  • 7 Training in diagnostic ultrasound: essentials, principles and standards. Report of WHO Study Group. WHO technical report series 1998: 875
  • 8 Fischer T, Filimonow S, Petersein J, Beyersdorff D, Mühler M, Bollow M, Badakhshi HR, Hamm B. Sonographie am Krankenbett: Zeitgewinn durch Nutzung eines tragbaren Ultraschallgerätes.   Ultraschall in Med. 2002;  23 307-310

Prof. Dr. K. Jäger

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