Erfahrungsheilkunde 2003; 52(2): 101-103
DOI: 10.1055/s-2003-37390
Übersichten/Reviews

Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Psychopädie - Hilfe gegen Krebs

Jakob Derbolowsky
  • Priv. Akademie für Psychopädie
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
21. Februar 2003 (online)

Ziel aller Maßnahmen bei Krebs ist es, Betroffenen dabei zu helfen, sowohl ein lebenswertes Leben mit entsprechender Lebensqualität zu führen als auch die Krankheit intensiv zu bekämpfen und möglichst zu überleben.

Aufgabe der Betreuer ist es, fachkundig alle erfolgversprechenden Maßnahmen in einem integrativen Konzept, d.h. sinnvoll aufeinander abgestimmt, anzuwenden.

Dies gilt sowohl für die schulmedizinischen und komplementärmedizinischen Anwendungen und Arzneien, die mehr oder weniger direkt am Krebsgeschehen ansetzen, als auch für indirekte Methoden, die zur Stärkung der Gesundheit ganz allgemein beitragen, wie gesunde Ernährung, aufbauende Lebensführung und eine (Neu-)Ausrichtung auf erwünschte Lebensinhalte und -ziele. Eine Vorgehensweise, die beispielsweise in dem „Integrativen Konzept der Tumorbehandlung” von Thomas Stiefel (Fa. Biosyn, Fellbach) umgesetzt wird. Vorwiegend im seelischen Bereich setzt eine Methode an, die gerade Krebsbetroffenen bei der Gestaltung ihrer Lebensführung hilft. Es ist die Psychopädie nach Dr. Udo Derbolowsky Sie ist befasst mit der Art und Weise, wie ein Mensch lebt - und welche Möglichkeiten mit welchen Folgen vorhanden sind und wie sie genutzt werden können, um das Leben erfreulich zu meistern. Entwickelt wurde die Psychopädie von dem heute 83-jährigen Arzt und Psychotherapeuten Udo Derbolowsky. Von der Langzeitpsychoanalyse kommend, hat er schon 1948 zunächst am Berliner Zentralinstitut für psychische Erkrankungen damit begonnen, Zusammenhänge zwischen Krankheit und seelischem Geschehen zu erforschen. Seine über Jahrzehnte gesammelten Erfahrungen sowie Erkenntnisse in den Psychowissenschaften und den Weisheitslehren der Menschheit, insbesondere des Christentums, hat er zu einer den ganzen Menschen betreffenden Vorgehensweise gebündelt. Auf diesem Hintergrund wurde in den letzen Jahren eine Anleitung zusammengefügt, wie notwendige Änderungen in den Grundeinstellungen des Menschen zentral vorgenommen werden. Neben der Erläuterung seelischer Zusammenhänge vor allem in Bezug auf unser tägliches Handeln, enthält sie wissenschaftlich fundierte Übungen für den täglichen Selbstgebrauch, die in wenigen Schritten und in kurzer Zeit erlernt werden können. In dem Buch „Liebenswert bist Du immer” haben wir das Vorgehen beschrieben.

Die Bezeichnung Psychopädie hat er für seine Methode gewählt, weil dies übersetzt soviel bedeutet wie: Betreuung, Führung, Bildung mittels Verfahren, die am Umgangsverhalten des Menschen mit sich selbst, mit seiner Umwelt und mit Gott arbeiten. Da es sich nicht um Therapie (= Krankenbehandlung) handelt, ist sie nicht in erster Linie auf die Anwendung bei seelisch Kranken ausgerichtet, sondern findet ihren Einsatz in der Hilfe zur Lebensgestaltung und -bewältigung bei Problemen ebenso wie in Krankheitszuständen.

Ziele psychopädischen Vorgehens bei Krebs sind, und dies sollten Ziele jeder begleitenden Therapie sein, die nicht direkt am Krankheitsgeschehen, sondern bei den allgemeinen Grundmechanismen des Lebens ansetzen:

Gesunde Anteile zu stärken, Lebensqualität und Zuversicht zu steigern. Hilfen zur Selbsthilfe zu geben. Harmonisch ausgewogenen Balancen zwischen Körper, Seele und Geist einerseits und zwischen dem Ich, dem Du und Gott andererseits zu erreichen. Regenerationskompetenz und positive Selbstregulationsmechanismen zu aktivieren.

Schon lange wurde auf ein ganzheitliches, komplexes Geschehen beim Krebs hingewiesen, aber den Zusammenhängen nicht weiter nachgegangen, weil immer neue Erkenntnisse über körperliche Mechanismen und entsprechende Therapien Hoffnung auf einen Sieg über die Krankheit gemacht haben. Zur Zeit der Gründung von Einrichtungen zur bio-psycho-sozialen Tumornachsorge vor mehr als 20 Jahren hat Frederic Vester - ebenso wie viele andere, mich eingeschlossen - angemahnt, dass gerade beim Krebsgeschehen „über die Analyse von Erbanlagen, Gewohnheiten und äußeren Einflüssen hinaus unbedingt auch Verhaltensmuster und Sinnvorstellungen in die Therapie miteinbezogen werden müssen. Denn die Verteilung von Aktivität und Inaktivität, Verkrampfungen, Verlust- und Erfolgserlebnissen, kurz seelische Phänomene, besitzt in hormonellen und immunologischen Prozessen ihr stoffliches Abbild.”

Dass diese Ausrichtung dennoch wenig weiterverfolgt und noch sparsamer in die Anwendungen einbezogen wurde, liegt nach meinem Verständnis vor allem daran, dass nur ungenaue Vorstellungen über die Inhalte der Begriffe Seele und Geist und über das komplexe Zusammenwirken von Körper-Seele-Geist im Menschen berücksichtigt werden. In der Psychopädie sind die von Vester geforderten Bereiche zentral in das Vorgehen einbezogen. Sie bietet daher gerade Krebsbetroffenen wertvolle Hilfen zum Verstehen der Zusammenhänge und eröffnet Möglichkeiten zur Selbsthilfe. Dass dies tatsächlich so ist, bekomme ich immer wieder in meinen bundesweit durchgeführten Seminaren bei den Frauenselbsthilfegruppen nach Krebs von den Teilnehmerinnen zurückgemeldet.

Ausgangspunkt für psychopädisches Vorgehen sind klare begriffliche Vorstellungen von Körper, Seele und Geist, wie sie ausführlich im Buch „Krankheit, Kränkung und Heilung” beschrieben sind. Kurz zusammengefasst verstehen wir unter

Körper, das Materielle, das auch den Naturgesetzen der Materie gehorcht. Lebendigkeit wird auf körperlicher Ebene gekennzeichnet mit dem Begriff Stoffwechsel. Seele oder Psyche vereint als Begriff alle Verhältnisse eines Menschen und seinen Umgang mit sich, mit dem Nächsten und mit Gott. Sie gibt sich zu erkennen in der Art und Weise, wie ein Mensch sein Leben gestaltet. Geist bezeichnet die Idee, den Sinn und die Funktion, die dem jeweiligen Menschen innewohnt, die ihn unverwechselbar macht und die in jeder seiner Zellen repräsentiert ist. Im Geist ist festgelegt, wie alles funktionieren soll und wie körperliche und seelische Gegebenheiten zueinander in Beziehung stehen.

Daraus ergeben sich als Grundlage für unser psychopädisches Vorgehen die folgenden Annahmen:

Der Mensch ist dreifaltig, ein Körper - Seele - Geist - Wesen. Körper-Seele-Geist sind untrennbar miteinander vernetzt. Die Seele zeigt sich in der Art und Weise wie ein Mensch seine Verhältnisse zu allem und jedem gestaltet, wie er sein Leben führt. In jedem Menschen gibt es eine innere Instanz, die dessen Gesundheit kennt bzw. ein Inbild, an dem Heilungsvorgehen orientiert sein muss (Albert Schweitzer: „In jeder Person lebt ein weiser Arzt”). Heilung erfolgt von Innen. Folglich kann nur jeder Betroffene selbst sie ermöglichen und unterstützen. Er kann sie aber auch behindern oder unmöglich machen! Liebe ist die stärkste Lebens-Energie. Die Liebe für sich selbst ist unverzichtbar für die notwendigen Änderungsschritte. Jeder Mensch hat als erstes Verantwortung für sich selbst und sein Handeln, nicht jedoch für die Ergebnisse. Veränderungsarbeit kann nur von den Betroffenen bei sich selbst beginnen. Alles was war, was ist und was geschieht, hat einen sinnvollen Hintergrund.

Psychopädisches Vorgehen bei Krebs erfolgt in der Praxis daher nach folgenden Ansätzen:

Aufbau von Achtsamkeit auf die Gegebenheiten im „jetzt und hier”. Erkennen und Abbau von autodestruktiven Impulsen, Gedanken und Handlungen. Aufbau von warmherzigem Umgang mit sich selbst, z.B. im Selbstgespräch. Lösungsorientierung statt problemhypnotisiertem Verharren. Das bedeutet beispielsweise nicht Starren nach rückwärts mit Fragen wie: Was habe ich falsch gemacht? Welche Schuld habe ich? Sondern vorwärts Schauen mit Fragen wie: Was werde ich jetzt anders machen? Was sind sinnvolle, konkrete Ziele? Welche Hilfen und Helfer können mir Unterstützung geben? (Selma Lagerlöf: „Man sollte nicht fragen: was wird und kann noch kommen? Sondern sagen: Ich bin gespannt, was Gott jetzt noch mit mir vorhat”). Realitätsprüfung der eigenen Ansichten und Annahmen und ggf. Änderungen von falschen Glaubenssätzen. Denn wenn ich mein Denken bzw. meinen Standpunkt, meine Perspektive ändere, von dem aus ich die Dinge betrachte, ändert sich nicht nur meine Sichtweise, sondern auch meine Haltung und Einstellung und damit mein Leben! Wichtige Bereiche sind die Einstellungen und Überzeugungen a) sich selbst gegenüber, z.B. über eigene körperliche und seelische Gegebenheiten und Möglichkeiten, b) gegenüber der jeweiligen Behandlung, c) gegenüber der Krankheit selbst, d) über das was jeder selbst tun kann. Selbststärkung durch bejahende Zuwendung zu sich selbst und zum Leben wie die Betroffene, Annette Rexrodt von Fircks, dies eindruckvoll in ihrem Buch „…und flüstere mir vom Leben” beschreibt. Verantwortungsbewusster Umgang mit sich selbst. Richtige Pflege (u.a. Ernährung, Pflege und optimales Training) gleichermaßen für Körper, Seele und Geist. Verbesserung des Umgangs und der Beziehungen zum Nächsten und zu Gott. Abbau von Groll und nachtragenden Gedanken. Stressabbau, Stärkung der Inneren Balancen und der Beziehung zum eigenen Körper durch ein einfach zu erlernendes Selbsthilfeprogramm für jeden Tag, das TrophoTraining.

Für weitere Details muss ich auf unsere Kurse und auf das Buch zur Psychopädie „Liebenswert bist Du immer - So schützen Sie Ihre seelische Gesundheit” mit Beispielen und praktischen Übungen für jeden Tag verweisen.

Literaturhinweise

Korrespondenzadresse

Dr. Jakob Derbolowsky

Priv. Akademie für Psychopädie

Finkenstr. 7a

82110 Germering