psychoneuro 2004; 30(2): 87-94
DOI: 10.1055/s-2004-822428
Schwerpunkt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Was bedeutet gutartig? - Benigne epileptische Anfälle und benigne Epilepsie-Syndrome

Birgit Walther1
  • 1Pädiatrische Epileptologie, Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg im Verbund der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge, Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité Berlin
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Publication Date:
25 March 2004 (online)

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Zusammenfassung

Die Einordnung idiopathischer altersgebundener Epilepsien und Epilepsie-Syndrome als gutartig gründet sich nach der ILAE-Klassifikation auf den gutartigen Verlauf der Epilepsien. Dieses Prognose-Kriterium gilt auch für die betroffenen Kinder mit assoziierten Entwicklungsstörungen. Diese treten auch ohne Epilepsie-Manifestation begleitend und/oder als Folge der Dichte der zum Syndrom der idiopathisch fokalen gutartigen gehörenden sharp waves auf. Dies steht im Widerspruch zu der Einordnung dieser Epilepsie-Syndrome als idiopathisch und würde eine alternative Klassifikation bedingen, obwohl ein gemeinsames Merkmalsspektrum überwiegt. Mit dem Konzept der hereditären zerebralen Maturationsstörung wird die altersgebundene Anfalls-Semiologie mit den zugeordneten EEG-Veränderungen und Entwicklungsverläufen zusammengeführt; dies geschieht auf der Grundlage genetischer Merkmale der Anfallsbereitschaft. Es erlaubt die differentielle Erfassung der großen inter- und intraindividuellen Variabilität ohne Verzicht auf die Zuordnung zu den altersgebundenen Epilepsien; und es öffnet Möglichkeiten zum besseren pathogenetischen Verständnis molekulargenetischer Zusammenhänge. Für die Praxis der pädiatrischen Epileptologie erweitert sich der diagnostische und therapeutische Auftrag: oft steht nicht die Epilepsie sondern die bedrohte Entwicklung im Vordergrund.

Summary

The ILAE-classification of idiopathic age-related epilepsies and epilepsy syndromes as benign relies on the benign outcome of the epilepsy. This prognostic criterion is unbiased for the children with coexisting developmental disorders. These present, even without evolution of seizures, concomitant and/or in causual relation with the focal sharp wave discharges, which are obligatory in defining idiopathic benign focal epilepsy. This fact contradicts the definition of the epilepsy as idiopathic und would result in an alternative classification despite the many shared features. The concept of hereditary impairment of brain maturation (HIBM), which is based on genetic markers of seizure liability, includes the age-related seizure semiology, the EEG-abnormalities and the developmental evolution. The nosological entity of age-related syndromes is thus preserved, without neglecting the inter-and intraindividual variability.This may open broader insight in moleculargenetic pathogenesis. The pediatric epileptologist may then be predominantly charged not with the epilepsy but with retaining developmental capacity.

Literatur

Korrespondenzadresse:

Dr. med. Birgit Walther

Ltd. Oberärztin Pädiatrische Epileptologie

Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg im Verbund der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel

Evangelisches Krankenhaus

Königin Elisabeth Herzberge

Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité

Herzbergstr. 79

10365 Berlin

Email: B.Walther@keh-berlin.de