Rehabilitation (Stuttg) 2004; 43(4): 199-208
DOI: 10.1055/s-2004-828320
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Patientenunterschrift im ärztlichen Reha-Entlassungsbericht

The Patient's Signature of the Physician's Report at Discharge from RehabilitationE.  Jacobi1 , R.  Kaluscha1
  • 1Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm (Geschäftsf. Vorstand und wiss. Leiter: Prof. Dr. med. E. Jacobi), der Rheumaklinik Bad Wurzach, Universitätsrehabilitationsklinik (Chefarzt: Prof. Dr. med. E. Jacobi)
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Publication Date:
19 August 2004 (online)

Zusammenfassung

Welche Auswirkungen hat es auf das Reha-Ergebnis, gemessen an der Teilhabestörung, auf die Patientenzufriedenheit und auf die Arbeitsorganisation in der Reha-Klinik, wenn vor der Abreise dem Rehabilitanden sein Entlassungsbericht zur Unterschrift vorgelegt wird? Zu dieser Frage fand eine Pilotstudie „Patientenunterschrift in der Rheumaklinik Bad Wurzach, Universitätsrehabilitationsklinik” statt. Sie verlief so erfolgreich, dass die Klinik das Verfahren beibehalten hat. Bei den Rehabilitanden genießt das Verfahren eine hohe Akzeptanz. Verweigert haben die Unterschrift nur sehr wenige, fast alle freuten sich über das Exemplar, das sie bei Abreise ausgehändigt bekamen sowie über die Möglichkeit, mit dem behandelnden Arzt den Brief zu besprechen. Die Teilhabestörung wird durch den Arzt prägnanter bewertet. Die bekannte Diskrepanz zwischen der Arztbeurteilung und der Selbstbeurteilung durch den Patienten besteht weiterhin, der Arzt „schönt” das Ergebnis auch dann nicht, wenn der Patient mitwirkt. Diese Einbeziehung des Rehabilitanden ist auch ein wichtiger Schritt zur Umsetzung des Leitbildes vom mündigen und eigenverantwortlichen Patienten (Empowerment). Neben dem Einfluss auf die Patientenzufriedenheit soll die zur Realisierung notwendige Änderung der Arbeitsorganisation beispielhaft dargestellt werden: Beginnend mit einer rechtzeitigen Abschlussuntersuchung sind ein optimierter, EDV-unterstützter Ablauf und die Umwandlung der bislang lose aneinander geketteten Funktionalitäten der Arztbriefentstehung in einen zeitrahmengesteuerten und verketteten Prozess Voraussetzungen in der Klinik. Die bisherige Messung der „Termintreue Arztbriefe”, d. h. die Laufzeit nach Entlassung, entfällt.

Abstract

What follows for the outcome of rehabilitation, patients' satisfaction and work organisation in a rehabilitation hospital if the patients obtain their discharge reports for signature before they leave? This has been investigated in a pilot study at the University Rehabilitation Hospital in Bad Wurzach, Germany. The pilot study was so successful that the hospital continued to use the new procedure. Only very few refused their signature, most patients were happy to obtain their discharge reports immediately and to have the opportunity to discuss the report with their physician if desired. Physician judged patients' participation slightly more pointedly while the known discrepancies between physicians' and patients' point of view remained, i. e. the physician doesn't „touch up” knowing the patient will read his report. Integrating the patient in the process is a major step towards patients' empowerment. Both the influence on patients' satisfaction and changes in work organisation are discussed in the paper. A timely discharge examination and an optimised computer-supported workflow, transformation of loosely coupled activities in a process managed by time frames are preconditions for being able to have the discharge report ready before the patients leave. Monitoring the timely delivery then becomes obsolete.

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1 So etwa: it·R®-Med_Doku Version 7.x, vgl. unter URL: www.itr-software.de/Med_Doku/med_doku_leistung.html (13.5.2002, zuletzt aufgerufen 9.1.2004).

2 Aus dem Vortrag von H. Fuchs anlässlich der Veranstaltung „Zugang zur Rehabilitation bei gedeckeltem Budget” der LVA Baden-Württemberg am 22./23.11.2002 in Stuttgart.

3 HiSyS 4.0, Näheres unter der URL: www.rehainformationssysteme.de.

4 Der Vergleich sei erlaubt, denn wir vergleichen nicht den Rehabilitanden mit einem Autositz, wohl aber den Prozess der Arztbriefschreibung mit einem optimierten Produktionsprozess.

5 So berichtet N. Gerdes anlässlich eines Vortrages auf dem 13. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium, dass in einer Stichprobe von 300 Rehabilitanden zwei Drittel angaben, ihren E-Bericht beim Hausarzt eingesehen zu haben.

Dipl.-Inform. Rainer Kaluscha

Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm · Rheumaklinik Bad Wurzach

Karl-Wilhelm-Heck-Straße 6

88410 Bad Wurzach

Email: rainer.kaluscha@medizin.uni-ulm.de

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