Viszeralchirurgie 2004; 39 - 28
DOI: 10.1055/s-2004-835104

Die akute Kolondivertikelblutung – Herausforderung für die interventionelle Koloskopie

D Tusek 1, HO Lindner 1, T Raguse 1
  • 1Chirurgische Abteilung, Evangelisches Krankenhaus Mülheim an der Ruhr

Zielsetzung:

Obwohl die Divertikelblutung eine der häufigsten Ursachen der unteren Gastrointestinalblutungen darstellt, ist die Detektion des ursächlichen Divertikels im Rahmen der Notfall-Endoskopie häufig schwierig. Zur Vermeidung einer resezierenden Notoperation mit deutlich erhöhter Morbidität und Mortalität stellen wir ein interventionelles Alternativkonzept vor.

Material und Methoden:

Im Zeitraum von 5/97 bis 4/04 wurden in unserer chirurgischen Abteilung 126 Patienten mit akuter unterer Gastrointestinalblutung behandelt. Die Diagnose wurde innerhalb der ersten 8 Stunden nach Aufnahme mittels Notfall-Koloskopie gesichert. War die Blutungsursache eindeutig zu lokalisieren, erfolgte die gezielte Blutstillung in der Regel durch Unterspritzung mit einem Adrenalin-Kochsalz-Gemisch. Bei Nachweis einer nicht lokalisierbaren Blutung und vorhandenen Divertikeln erfolgte nach Darmspülung mit dem Endo-Washer® die segmental-wiederholte Unterspritzung des divertikeltragenden Dickdarmabschnitts mit verdünnter Adrenalin-Lösung in „Vier-Quadranten-Technik“.

Ergebnisse:

Bei 85 der insgesamt 139 Patienten (67,5%) fanden sich Divertikel. Der sichere Nachweis der Blutungslokalisation gelang bei nur knapp einem Drittel dieser Divertikelblutungen, entweder als spritzende oder sickernde Blutung, mit sichtbarem Gefäßstumpf oder einem Koagel im Divertikel mit gezielter Unterspritzung. Bei den übrigen 58 Divertikelblutungen führten wir die obenbeschriebene „flächenhafte“ Segmentunterspritzung mit Adrenalin-Kochsalz durch. In allen Fällen führte die Intervention zur erfolgreichen Blutstillung. Bei fünf Patienten war eine erneute koloskopische Unterspritzung binnen 6 Stunden wegen Rezidivblutung erforderlich. Keiner dieser 75 Patienten musste unter Notfallbedingungen kolonteilreseziert werden – die Letalität betrug Null. Den restlichen 41 (32,5%) Patienten lag eine Polyp- oder Carcinomblutung, eine Colitis-, Angiodysplasieblutung, oder eine iatrogen bedingte Blutung (Polypabtragung, TEM, Bougierung, Anastomosenblutung) zugrunde. In 9,5% waren weder Divertikel noch die eigentliche Blutungsquelle verifizierbar.

Zusammenfassung:

Kann bei akuter Kolonblutung die Ursache und Lokalisation identifiziert werden, so ist die primäre Blutstillung mittels interventioneller Koloskopie allgemein anerkannt. In den doch häufig vorgefundenen Fällen der nicht lokalisierbaren Divertikelblutung halten wir die segmentäre Unterspritzung aller vier Kolonwandbereiche mit einem Adrenalin-Kochsalzgemisch indiziert. Die Wirksamkeit ist ätiologisch auf eine adrenalinbedingte Minderperfusion der Kolonwand zurückzuführen. Durch die koloskopisch insufflierte Luft und einer damit verbundenen Druckneutralisierung im Divertikelhalsgefäß kommt es zusätzlich zu einer Stase. Auf eine Kolonresektion unter Notfallbedingungen kann in den meisten Fällen verzichtet und damit die Morbidität gesenkt werden.