Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P5
DOI: 10.1055/s-2005-866612

Einfluss der Hochfrequenzstimulation des Nucleus entopeduncularis (EP) auf die neuronale Aktivität von EP und Substantia nigra Pars reticulata des dtsz-Hamsters

R Reese 1, T Boraud 2, M Hamann 1, A Richter 1, W Meissner 1
  • 1Berlin
  • 2Bordeaux, F

Die Dystonien umfassen eine klinisch und pathophysiologisch heterogene Gruppe von Bewegungsstörungen, die durch unwillkürliche Muskelkontraktionen und abnorme Stellungen der Gliedmassen und des Rumpfes charakterisiert sind. Die Symptome definieren entweder die Erkrankung selbst (idiopathische Dystonien) oder treten im Verlauf anderer Erkrankungen spontan oder medikamenteninduziert auf (symptomatische Dystonien). Ein unzureichendes pathophysiologisches Verständnis limitiert die Möglichkeiten konservativer und operativer Therapieformen. Seit einiger Zeit ist eine Hamstermutante (dtsz-Hamster) bekannt, welche altersabhängig, vornehmlich stressinduziert, klinische Symptome einer generalisierten Dystonie zeigt. Die Ergebnisse elektrophysiologischer Einzelzellableitungen im Globus pallidus internus (GPi) von Dystoniepatienten und im Nucleus entopeduncularis (EP, entspricht humanem internen Pallidum) des dtsz-Hamsters lassen ähnliche pathophysiologische Veränderungen vermuten. Darüber hinaus reduzieren Medikamente, welche zur Behandlung der Dystonien zugelassen sind, als auch die Hochfrequenzstimulation (HFS) des EP die Schwere der dystonen Symptome des dtsz-Hamsters. Obwohl die HFS zunehmend zur Behandlung von Patienten mit therapierefraktären Dystonien eingesetzt wird, sind die Wirkmechanismen nur unzureichend bekannt. Ziel unserer Arbeit war es, den Einfluss der EP-HFS auf die neuronale Aktivität von EP und Substantia nigra reticulata (SNr) durch extrazelluläre Einzelzellableitungen im anästhesierten Hamster zu untersuchen. Hierfür wurden die Entladungsrate und das Entladungsmuster vor, während und nach EP-HFS ermittelt. In Übereinstimmung mit Vorergebnissen war die Entladungsrate des EP vor HFS im dtsz-Hamster gegenüber der gesunden Kontrollgruppe vermindert. Einzelzellableitungen der SNr ergaben keine Unterschiede der Entladungsrate. Die EP-HFS führte zu einer Reduktion der Entladungsraten in EP und SNr der dtsz-Hamster und Kontrolltiere. Schon in dem ersten analysierten Zeitfenster nach Beendigung der EP-HFS zeigte sich in beiden untersuchten Strukturen eine Rückkehr der Entladungsraten auf das Ausgangsniveau in dtsz-Hamstern und Kontrollen.

Überraschenderweise bewirkt die EP-HFS eine weitere Reduktion der basal erniedrigten EP-Entladungsraten im dtsz-Hamster. Dies legt nahe, dass andere Parameter neuronaler Aktivität wie das Entladungsmuster zur Erklärung der Symptombesserung während EP-HFS herangezogen werden müssen. Da direkte anatomische Verbindungen zwischen EP und SNr fehlen, könnte der Effekt der EP-HFS auf die Entladungsrate der SNr durch einen Stromfluss durch Axone striataler Projektionsneurone, die im EP arborisieren und in der SNr terminieren, erklärt werden.