Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P13
DOI: 10.1055/s-2005-866620

Neurotoxische Effekte von 2,9-Dimethyl-, 2- und 9-Methyl-β-Carboliniumiodid in mesenzephaler Primärzellkultur

J Hamann 1, H Rommelspacher 2, G Schulze 2, H Reichmann 1, G Gille 1
  • 1Dresden
  • 2Berlin

Untersuchung der neurotoxischen Wirkung von N-methylierten β-Carbolinen (ßC) 2,9-Dimethyl (DiMe)-, 2- und 9-Methyl (Me)-β-Carboliniumiodid bezüglich Nekrose, Energiestatus und oxidativen Stresses in embryonaler Primärzellkultur.

Bei der Parkinson-Krankheit wird zur Zeit eine multifaktorielle Genese diskutiert, bestehend aus chronischer Intoxikation und genetischer Prädisposition, die zum Untergang der dopaminergen Neurone führt. Exogen und endogen vorkommende β-Carbolin-Derivate ähneln strukturell dem nigrostriatalem Neurotoxin 1-Me-4-Phenylpyridinium (MPP+). βC-Indolalkaloide kommen ubiquitär in Nahrungsmitteln oder auch in Tabakrauch vor. Durch metabolische N-Meierung der βC entstehen dimethylierte βC-Kationen, die bei Parkinson-Patienten in erhöhter Konzentration im Gehirn festgestellt wurden. Durch diese Biotransformation wird der dopaminerge neurotoxische Effekt und die inhibitorische Wirkung auf die Mitochondrien außerordentlich erhöht, was in vitro und in vivo nachgewiesen werden konnte. Mit unseren Experimenten wollen wir die pathobiochemischen Hintergründe, die ursächlich für die Parkinson-Krankheit sind, näher untersuchen und eventuelle Struktur-Wirkungsbeziehungen der βC aufzeigen.

Die dopaminerge Primärzellkultur wurde von embryonalem Mausmesencephalon angelegt. Die Kultur wurde am 8 DIV (day in vitro), bzw. 10 DIV für 24h oder 48h mit 5–100 microM 2,9-DiMe-,2- und 9-Me-β-BC behandelt und bis zum 12. (15.) Tag weiter kultiviert. Die Überlebensrate der fixierten dopaminergen Neurone wurde immunocytochemisch und der ATP-Gehalt in lebenden Zellen mittels Lumineszenz bestimmt. Als Nekrosemarker wurde das Enzym Laktathydrogenase (LDH) im Überstand der Zellkultur photometrisch gemessen. Mit Dichlorodihydrofluorescein wurde oxidativer Stress durch Radikalfärbung am Fluoreszenzmikroskop nachgewiesen.

Im Konzentrationsbereich von 10–100 microM nahm die Anzahl dopaminerger Neurone im Vergleich zur Kontrolle nach Behandlung mit 2-Me-βC bzw. 2,9-DiMe-βC für 24h (48h) um 41% (44%) bzw. 43% (81%) ab. Durch 9-Me-βC wurden die dopaminergen Neurone nach 24h-Inkubation um bis zu 22% reduziert. Nach einer einmaligen Inkubation von 48h mit 5 microM 2,9-DiMe-βC nahm die Überlebensrate im nachfolgendem Zeitraum von 5d um 17% ab. Die LDH-Freisetzung nach 48h-Behandlung mit 2,9-DiMe-βC (0–100 microM) wurde um bis zu 156% erhöht. Der ATP-Gehalt der Neuronen verringerte sich nach 48h (120h)-Behandlung mit 0–15 microM 2,9-DiMe-βC von 247 nM auf 55 nM ATP (von 88 nM auf 16 nM ATP). Nach Inkubation der Neurone mit 10 microM 2,9-DiMe-βC konnte eine verstärkte Radikalbildung nachgewiesen werden.

Die Ergebnisse zeigen, dass die untersuchten βC eine allgemeine Neurotoxizität ausüben, wobei die dopaminergen Neurone stärker beeinträchtigt werden. 2,9-DiMe-βC erwies sich als die Substanz mit der höchsten neurotoxischen Wirkung. Der Energiestatus der Zelle und die Radikalbildung wird durch dieses 2,9-DiMe-βC nachhaltig beeinflusst.