Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P87
DOI: 10.1055/s-2005-866664

Riechfunktion bei Patienten mit atypischen Parkinson-Syndromen im Langzeitverlauf

K Scholz 1, T Hummel 1, H Reichmann 1, B Herting 1
  • 1Dresden

Hintergrund und Ziel: Ausgeprägte Riechstörungen sind ein frühes Kardinalsymptom des idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS) und werden bei 80–90% der Patienten beobachtet. Sie entwickeln sich offensichtlich Jahre vor Erstmanifeststion der motorischen Defizite und sind dann unabhaengig von Krankheitsdauer, Stadium des IPS, klinischem Subtyp oder Antiparkinson-Medikation.

Ihre differenzialdiagnostische Bedeutung unterstrichen G. Wenning und Mitarbeiter bereits 1995, indem sie nachweisen konnten, dass Patienten mit Multisystematrophie (MSA) dagegen nur ein geringes olfaktorisches Defizit aufwiesen und Patienten mit progressiver supranukleärer Blickparese (PSP) bzw. kortikobasaler Degeneration sogar ein normales Riechvermögen zeigten. Daten zum Langzeitverlauf der Riechfunktion bei atypischen Parkinson-Syndromen lagen bisher allerdings nicht vor.

In der vorliegenden Studie sollte deshalb untersucht werden, wie sich das Riechvermögen von Patienten mit MSA oder PSP über einen Zeitraum von einem Jahr entwickelt.

Patienten und Methode: Als validierten klinischen Test zur Untersuchung des Riechvermögens verwendeten wir den „Sniffin-Sticks“-Test, bestehend aus einer Geruchsschwellenmessung (3fach „forced choice“, „single staircase“), sowie einer Diskriminations- (3fach „forced choice“) und Identifikationsprüfung (4fach „forced choice“). Die Schwere der Riechstörung wurde durch den SDI-Wert ermittelt, der sich aus den 3 Subtests zusammensetzt.

Wir untersuchten 10 konsekutive PSP-Patienten (mittlere Krankheitsdauer: 5,5±2,6; Hoehn und Yahr-Stadium (H+Y) im Mittel: 3,9) und 7 konsekutive MSA-Patienten (Parkinson-Subtyp; mittlere Krankheitsdauer: 5±2,4; H+Y im Mittel: 4,1).

Die Riechtestung erfolgte bei jedem Patienten drei Mal innerhalb eines Jahres im Abstand von 6,1±0,98 Monaten.

Ergebnisse: Die PSP-Patienten zeigten im Durchschnitt bereits bei der ersten Riechtestung eine mittelschwere bis schwere Hyposmie, offensichtlich, weil wir vorwiegend PSP-Patienten in fortgeschrittenen Stadien untersucht haben.

Das Riechvermögen der PSP-Patienten nahm gegenüber den an MSA Erkrankten innerhalb eines Jahres signifikant (p=0,042; F=3,8) ab. So sank der durchschnittliche SDI-Wert bei den PSP-Patienten von initial 18,9±5,6 auf 15,8±4,5, entsprechend einer Abnahme von 20% innerhalb von 12 Monaten. Bei den MSA-Patienten hingegen war der SDI-Wert praktisch unverändert (Beginn 22,6±6,2; Ende: 22,1±4,5).

Schlussfolgerung: Offensichtlich sind psychophysische Riechtests zur Differenzialdiagnostik vorwiegend in Frühstadien von Parkinson-Syndromen hilfreich (Riechfunktion bei IPS deutlich beeinträchtigt, bei MSA leicht betroffen, bei PSP normal). Im weiteren Verlauf entwickeln PSP-Patienten offensichtlich auch einen signifikanten Riechverlust hin zu schweren Hyposmien und Anosmien, während MSA-Patienten eher stabil eine leichte bis mittelgradige Hyposmie zeigen.