Aktuelle Neurologie 2005; 32 - 169
DOI: 10.1055/s-2005-866705

Genetik der Dystonien

F Asmus 1
  • 1Tübingen

Dystonien sind eine klinische heterogene Erkrankungsgruppe. Das phänotypische Spektrum reicht von fokalen, tätigkeitsassoziierten Dystonien, wie Schreib- oder Musikerkrämpfen, bis hin zu schwersten generalisierten Bewegungsstörungen. Eine wichtige Rolle von Erbfaktoren bei der Entstehung von Dystonien wird jedoch von neueren epidemiologischen Untersuchungen nahe gelegt, die zeigen, dass in bis zu 20% der Familien von Dystonie-Patienten auch andere Familienmitglieder an ähnlichen Bewegungsstörungen leiden können.

Die bisher identifizierten Dystonie-Gene erlauben einen höchst interessanten Einblick in die vielfältigen Stoffwechsel- und Funktionskreisläufe des Gehirns, welche in die Entstehung dystoner Bewegungsstörungen involviert sein können.

Die Deletion eines GAG-Basentripletts im Exon5 des TorsinA-Gens kann generalisierte Torsionsdystonien (DYT1) mit Symptombeginn in den Extremitäten auslösen (Ozelius et a. 1997). Die Schwere der Erkrankung ist dabei sehr variabel und die Penetranz mit etwa 30% deutlich vermindert. Jüngste Untersuchungen von Kamm et al. (2004) belegen eine Interaktion von TorsinA mit der leichten Kette des Kinesin I-Moleküls. Die zytoplasmatische und axonale Transportfunktion von Kinesin scheint hierdurch moduliert zu werden.

Ansonsten sind für die primären idiopathischen Dystonien bisher noch drei Genorte kartiert worden: DYT6 auf Chr. 8p21-q22, DYT7 auf Chr. 18p und DYT13 auf Chr. 1p36.32-p36.13. Die Klonierung der jeweiligen Gene steht noch aus.

Im Gegensatz dazu sind bereits 5 Gene für sog. Dystonie-Plus-Syndrome identifiziert. Hierbei handelt es sich um sehr seltene Erkrankungen, die neben der Dystonie noch andere typische klinische Charakteristika aufweisen.

Dopa-responsive Dystonien (DYT5, DYT14) liegen in etwa 10% aller generalisierten, früh-manifestierenden Dystonien vor. 60% der Fälle werden durch dominant vererbte Mutationen im Gen für die GTP-Cyclohydrolase (GCH-1) verursacht.

Bei der Myoclonus-Dystonie (M-D, DYT11) handelt es sich um eine ebenfalls dominant vererbte Erkrankung, welche durch heterozygote Mutationen des Epsilon-Sarkoglykan-Gens (SGCE) verursacht wird (Zimprich et al. 2001). Da durch genomisches Imprinting des maternalen SGCE-Allels nur das paternale Allel transkribiert wird, reichen anders als bei den rezessiv vererbten Muskel-Sarkoglykanopathien, heterozygote Funktionsverlust-Mutationen aus, um die Krankheit auszulösen. In schweren Fällen von M-D kann erfolgreich mit tiefer Hirnstimulation des Thalamus oder Globus pallidus behandelt werden.

Weiterhin wurden Veränderungen in einem multiplen Transkript-System als ursächlich für X-chromosomal gekoppelten Dystonie-Parkinsonismus (DYT3) (Nolte et al 2003), Mutationen im Gen für die Na+/K+-ATPAse alpha3 als ursächlich für Rapid-onset-Dystonie-Parkinsonismus (DYT12) (de Carvalho Aguiar et al. 2004) und Mutationen im Myofibrillogenesis Regulator (MR1) als ursächlich für paroxysmale non-kinesiogene Dyskinesien (DYT8) identifiziert (Lee et al. 2004).