Rehabilitation (Stuttg) 2005; 44(3): 134-143
DOI: 10.1055/s-2005-866855
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kardiologische Rehabilitation - Erwartungen und Einschätzungen von Patienten

Cardiac Rehabilitation - Expectations and Experiences of PatientsR.  M.  Schubmann1 , H.  Vogel2 , T.  Placzek2 , H.  Faller2
  • 1Klinik Möhnesee, Psychosomatische und kardiologische Rehabilitation, Möhnesee-Körbecke
  • 2Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg
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Publication Date:
03 June 2005 (online)

Zusammenfassung

Ausgehend von der vielfach postulierten starken Bedeutung der individuellen Erwartungen für die Rehabilitation auf den Verlauf der Rehabilitation wurden diese in einer explorativen Querschnittstudie bei kardiologischen Reha-Patienten der Phase III im Zusammenhang mit Reha-Ergebnissen untersucht. Im Sinne eines ersten Zugangs zur Klärung der Behandlungserwartungen und -ziele von kardiologischen Reha-Patienten sollten die Rehabilitanden (Teilnehmer ambulanter Herzgruppen) retrospektiv über ihre Erwartungen, Einschätzungen und Erfahrungen bezüglich ihrer stationären Rehabilitation (Phase II) befragt werden. Ausgewertet werden konnten 238 von 300 (79 %) an Herzgruppenmitglieder ausgegebene Fragebogen (81,9 % männlich; Durchschnittsalter 65,5 Jahre). Von besonderer Bedeutung waren für die Patienten Gespräche mit dem Arzt, gründliche Untersuchungen und Beratungen über den Krankheitsverlauf sowie Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten und zur gesunden Lebensführung. Häufig genannt wurden aber auch Diätberatung, Gruppengymnastik, Massagen, Wanderungen sowie die angenehme Umgebung in der Klinik. Zirka ein Drittel der Befragten gab an, dass sie nach der Rehabilitation ihre Lebenseinstellung geändert hätten („bewusster leben”, „Stress abbauen”, „gesünder ernähren”). Nach den Angaben der Befragten fanden sich keine wesentlichen Verbesserungen im Gewicht bzw. Übergewicht bei den Studienteilnehmern von Reha-Beginn bis zum Befragungszeitpunkt, jedoch hat der Anteil der Raucher deutlich abgenommen. 70 % der Befragten wären interessiert, wieder an einer Rehabilitation teilzunehmen. Auch fanden sich Hinweise, dass Reha-Erwartungen von körperlichem Training, Gesundheitsbildung, Verhaltensänderung und ärztlicher Betreuung mit einem besseren Reha-Ergebnis einhergingen. Bei der Interpretation müssen neben dem selektiven Charakter der Stichprobengewinnung auch die Probleme retrospektiver Datenerhebungen (Erinnerungsverzerrungen/„Recall Bias”) bedacht werden. Vor diesem Hintergrund lassen sich die Ergebnisse als Hinweis darauf verstehen, dass die Studienteilnehmer ihre Rehabilitation überwiegend positiv bewerten. Kritische Aspekte, die auch genannt werden, beziehen sich nicht auf die Grundkonzeption der Behandlung, sondern auf spezielle Defizite in der Durchführung und Umsetzung, auf die jede Klinik besonderes Augenmerk legen sollte.

Abstract

Patients' expectancies are widely hypothesized to influence the course of rehabilitation. Therefore, an exploratory cross-sectional survey was performed in cardiological rehabilitation patients to analyse the relationships of patients' expectations and rehabilitation outcomes. Patients were recruited from ambulatory heart groups (phase III rehabilitation). All participants judged both their expectations and experiences regarding their inpatient rehabilitation (phase II) in retrospect. Of 300 eligible heart group members, 238 (79 %) consented to participate (81 % male; mean age 65.5 years). Discussions with their physician, in-depth clinical examination, and information regarding treatment and healthy life-style were rated as most important by the patients. Nutritional counselling, gymnastics, massage, walking and the pleasant surroundings of the clinic were also frequently mentioned. One third stated that they had changed their attitudes regarding life-style, stress management, and nutrition as a result of rehabilitation. However, according to their self-reports, changes in body weight were not substantial whereas the proportion of smokers declined. 70 % reported to be interested in attending a future rehabilitation treatment. Patients with high expectations regarding physical training, health counselling, behaviour modification and physician care had better rehabilitation outcomes. When interpreting the results, both the selective nature of the sample and possible recall bias due to the retrospective assessments have to be considered. Our findings may thus be seen as hints as to patients overall judging their rehabilitation in a positive way. However, critical aspects were also mentioned. While these did not touch the general concepts of the interventions, they highlighted specific aspects of its performance and implementation, issues that should be taken into account by the individual rehabilitation clinic.

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Dr. med. Rainer M. Schubmann

Klinik Möhnesee

Schnappweg 2

59519 Möhnesee

Email: rschubmann@klinik-moehnesee.dbkg.de

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