Krankenhauspsychiatrie 2006; 17(2): 68-73
DOI: 10.1055/s-2005-915611
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Forensische Psychiatrie im Wandel

Forensic Psychiatry in a State of ChangeH.  Hausner1 , M.  Wittmann1 , C.  Cording1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität am Bezirksklinikum Regensburg
Further Information

Publication History

Publication Date:
02 June 2006 (online)

Zusammenfassung

Eine Längsschnittbetrachtung der forensischen Psychiatrie in Bayern zeigt zentrale Veränderungstendenzen, die Anpassungsprozesse des bestehenden Versorgungssystems erforderlich machen. Um einen Belegungsanstieg von ca. 70 % in den letzten 10 Jahren bewältigen zu können, mussten die für den Maßregelvollzug bereitgestellten Haushaltsmittel im gleichen Zeitraum um beinahe 200 % erhöht werden. Dabei ist es zwar gelungen, die Entweichungszahlen deutlich zu senken und eine Spezifität bei Lockerungsentscheidungen von über 99,96 % zu erreichen, allerdings wendet Bayern mittlerweile rund 10 % seines Sozialetats für einen sicheren Maßregelvollzug auf. Da sich diese Entwicklung vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltssituation der öffentlichen Hand nicht linear fortschreiben lässt, sind ein effektiveres risikodifferenziertes Entlassungsmanagement sowie zielgenauere Angebote beispielsweise für Frauen, ausländische Patienten oder Langzeitpatienten zu entwickeln.

Abstract

A sectional analysis of forensic psychiatry in Bavaria reveals tendencies towards change which make it imperative that the existing psychiatric healthcare system is modified. To cope with an approx. 70 % increase in the number of patients over the last ten years, the budgetary funds provided for indefinite detention needed to be increased by almost 200 % over the same period. Although the escape figures have been significantly reduced and a prognostic specificity of over 99.96 % has been achieved in release decisions, Bavaria is now spending about 10 % of its social services resources on forensic psychiatry. Given the background of strained public sector budgets, this trend cannot continue in a linear fashion. More effective, risk-differentiated discharge management and more targeted offerings must therefore be developed, for example, for women, foreign patients or long-term patients.

Literatur

  • 1 Kammeier H. Maßregelrecht. Berlin: Walter de Gruyter 1996
  • 2 Gesundheitsministerkonferenz. Bestandsaufnahme zu den Entwicklungen der Psychiatrie in den letzten 25 Jahren. Beschluss der 76. GMK 2003. 
  • 3 Frangos L. Drogentherapie im Maßregelvollzug. In: Egg R (Hrsg). Drogentherapie und Strafe. Wiesbaden: KUP Schriftenreihe der Kriminologischen Zentralstelle 1998: 209-212
  • 4 Schalast N. Therapiemotivation im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB. München: Wilhelm Fink 2000
  • 5 Pollähne H. Lockerungen im Maßregelvollzug. Frankfurt a. M.: Europäischer Verlag der Wissenschaften 1994
  • 6 Gerl S. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB. München: Diss 2000
  • 7 Nowara S. Sexualstraftäter und Maßregelvollzug. Wiesbaden: Kriminologische Zentralstelle 2001
  • 8 Priebe S, Badesconyi A, Fioritti A. et al . Reinstitutionalisation in mental health care: comparison of data on service provision from six European countries.  British Medical Journal. 2005;  330 123-126
  • 9 Kammeier H. Der Preis der Sicherheit - Aufwendungen der Bundesländer für den Maßregelvollzug.  Recht & Psychiatrie. 2002;  20 168 -176
  • 10 Dessecker A. Suchtbehandlung als strafrechtliche Sanktion. Wiesbaden: KUP Schriftenreihe der Kriminologischen Zentralstelle 1996
  • 11 Bundesministerium für Gesundheit .Ambulante Nachsorge für forensisch-psychiatrische Patienten im Rahmen der Beurlaubung oder Entlassung auf Bewährung. Baden-Baden: Nomos 1996
  • 12 Bundesministerium für Gesundheit .Erprobung eines neuen Versorgungskonzeptes durch eine mobile forensische Ambulanz. Baden-Baden: Nomos 1993
  • 13 Pörksen N, Scholz W. Wer hat den Schwarzen Peter? Zur (Un-)Verbindlichkeit in der Nachsorge forensischer Patienten.  Recht & Psychiatrie. 2003;  2 47-51
  • 14 Freese R. Ambulante Versorgung von psychisch kranken Straftätern im Maßregel- und Justizvollzug.  Recht & Psychiatrie. 2003;  2 52-57
  • 15 Fakhoury W, Priebe S. The process of deinstitutionalization: an international overview.  Curr Opin in Psychiatry. 2002;  15 187-192
  • 16 Kunze H. De-Institutionalisierung im Kopf - vom Anstaltsparadigma über die Rehabilitationskette zu personenzentrierten Hilfen.  Krankenhauspsychiatrie. 2001;  12 48-55
  • 17 Munk-Jörgensen P. Has deinstitutionalization gone too far?.  European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience. 1999;  249 136-143
  • 18 Kunze H. Die Idee des personenzentrierten Ansatzes. In: Schmidt-Zadel R (Hrsg). Die Zukunft hat begonnen. Personenzentrierte Hilfen - Erfahrungen und Perspektiven. Bonn: Psychiatrie-Verlag 2004: 17-30
  • 19 Sozialministerium Baden-Württemberg .Abschlussbericht des Projektes Implementation des personenzentrierten Ansatzes in der psychiatrischen Versorgung in Baden-Württemberg. Stuttgart; 2004
  • 20 Cording C. Plädoyer für ein neues Paradigma psychiatrischer Qualitätssicherung.  Psychiatrische Praxis. 2003;  30 225-229
  • 21 Lindemann M. Die Behandlung der Unbehandelbaren - Eine Skizze des niederländischen Longstay-Pilotprojektes Veldzicht.  Recht und Psychiatrie. 2001;  19 21-27

Dr. med. Dr. jur. Helmut Hausner

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität am Bezirksklinikum Regensburg

Universitätsstraße 84

93042 Regensburg ·

Email: Helmut.Hausner@medbo.de