Aktuelle Neurologie 2005; 32 - M51
DOI: 10.1055/s-2005-919206

Gestik – das Bindeglied zwischen Sprache und Handmotorik? Untersuchungen mittels TMS zur kortikalen Vernetzung von Sprache, Gestik und Handmotorik

R Sparing 1, I Gröning 1, I.G Meister 1
  • 1Aachen

Menschen bewegen ihre Hände beim Sprechen. Gestik ist ein Phänomen, dass sich in allen Kulturen, in jedem Alter und sogar bei blindgeborenen Menschen findet. In neurowissenschaftlichen Studien konnten enge Verbindungen zwischen den kortikalen Repräsentationen von Sprache und Handmotorik nachgewiesen werden, wobei jedoch die genauen Mechanismen der Evolution der Sprache noch ungeklärt sind. Handelt es sich bei Gestik um das evolutionäre Bindeglied zwischen Sprache und Handmotorik? Sind mit der Zeit neuronale Netzwerke, manuell-visueller, später artikulatorisch-auditiver Art, für die Kodierung und Dekodierung kommunikativer Gesten entstanden? Die Ergebnisse vorangegangener Studien unserer Arbeitsgruppe sprechen für das Konzept, dass sich sprachliche Kommunikation aus dem Analysieren und Planen motorischer Programme entwickelte. Wir konnten mittels der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) nachweisen, dass die Erregbarkeit des motorischen Handareals durch sprachliche Aufgaben moduliert wird und insbesondere lautes Vorlesen die Erregbarkeit des linken motorischen Handareals bei Rechtshändern erhöht. Dass diese Ergebnisse nicht allein durch die Nachbarschaft von Broca-Areal, der Gesichts- bzw. Handrepräsentationen und eine Aktivierungsausbreitung erklärt werden können, wurde in den Studien durch Kontrollbedingungen ausgeschlossen. An einer Gruppe von 30 deutschsprachigen Probanden sowie 10 Probanden mit Spanisch als Muttersprache, konnten wir nachweisen, dass der Grad der Gestik, die diese Probanden in einem standardisierten Interview, welches auf Video aufgezeichnet wurde, einsetzen mit der Höhe der Erregbarkeit des motorischen Handareals während sprachlicher Aufgaben korreliert. Unsere Ergebnisse sprechen für die Vermutung, dass Gestik das evolutionäre Bindeglied zwischen Sprache und reiner Handmotorik ist. Die Ergebnisse könnten Bedeutung für neue rehabilitative Therapieansätze bei Patienten mit Aphasie nach Schlaganfall haben.