Aktuelle Neurologie 2005; 32 - M53
DOI: 10.1055/s-2005-919208

Die Rolle des Parietalkortex' bei der Verarbeitung numerischer Informationen

A Knops 1, G Wood 1, H.C Nürk 1, R Sparing 1, K Willmes 1
  • 1Aachen

Probanden beantworten in Größenvergleichsaufgaben mit zwei zweistelligen Zahlen inkompatible Paare (z.B. 37_52, weil 3<5, aber 7>2) langsamer als kompatible (z.B. 32_47). Dies wird als Evidenz gegen eine holistische Größenrepräsentation interpretiert. In zwei Studien haben wir uns der Frage der neuronalen Korrelate des Kompatibilitätseffektes gewidmet.

In einer ereigniskorrelierten fMRT-Studie (N=14) bearbeiteten die Probanden eine Größenvergleichsaufgabe (480 zweistellige Zahlenpaare). Neben Kompatibilität wurde Dekadendistanz (1–3=klein; 4–7=groß) und Einerdistanz (1–3=klein; 4–8=groß) variiert. Gesamtdistanz, Problemgröße, Dekaden- und Einerdistanz waren logarithmisch und absolut vergleichbar zwischen den jeweiligen Stimulusgruppen. Die parametrisch modellierte Einerdistanz aktivierte Neuronenverbände um den anterioren horizontalen Anteil des intraparietalen Sulcus (hIPS; k=11, tmax(13)=7.32; p=0.009, FWE korriegiert; siehe Abb. 1). Dekadendistanz aktivierte distinkte Neuronenverbände in posterioren Anteilen des IPS (linke Hemisphäre: k=54, tmax(13)=8.17; p=0.003; rechte Hemisphäre: k=97, tmax(13)=8.03; p=0.003, beide FWE korrigiert; siehe Abb. 1). Die in Abb. 1 rot eingefärbten Voxel repräsentieren Regionen, deren Aktivität durch Dekadendistanz moduliert wurde, grüne Regionen wurden von Einerdistanz in ihrer Aktivität moduliert.

In der zweiten Studie stimulierten wir mittels transkranieller Magnetstimulation (TMS; 1Hz, offline) den hIPS, sowie Vertex als Kontrollbedingung. Der Kompatibilitätseffekt wurde im Vergleich zur Kontrollbedingung ohne TMS moduliert (siehe Abb. 2). Abb. 2 zeigt die Modulation des Kompatibilitätseffektes in Abhängigkeit von Dekadendistanz, Stimulationsort und Geschlecht der Probanden (*=p<0.05). Die Effekte waren zeit- und geschlechterabhängig. Für weibliche Probanden (N=6) ergab sich eine Vergrößerung des Kompatibilitätseffektes um 55ms (t(5)=3.89; p<0.05) in Durchgängen mit kleiner Dekadendistanz. Dieser Effekt war in der ersten Hälfte eines Blocks größer als in der zweiten, was den transienten Charakter der TMS verdeutlicht. Bei den männlichen Probanden (N=6) ergab sich keine signifikante Veränderung des Kompatibilitätseffekts (p>0.3).

Insgesamt implizieren die Ergebnisse eine funktionell notwendige Beteiligung des hIPS bei (a) der Verarbeitung numerischer Größeninformation und (b) der Integration von Einer- und Zehnerinformationen im Kontext numerischer Größenvergleichsaufgaben mit zweistelligen Zahlen.