Aktuelle Neurologie 2005; 32 - V76
DOI: 10.1055/s-2005-919215

Neuromuskuläre Nebenwirkungen unter HAART

E Neuen-Jacob 1, H Köller 1, G Arendt 1
  • 1Düsseldorf

Seit Einführung der hochaktiven anti-retroviralen Therapie (HAART) ist die Inzidenz von Neuro-AIDS-Manifestationen stark zurück gegangen. In letzter Zeit werden aber zunehmende neuromuskuläre Nebenwirkungen unter HAART berichtet, die von den Nukleosid-analogen Reverse Transkriptaseinhibitoren (NRTI)) durch eine Hemmung der mitochondrialen DNA-Polymerase gamma ausgelöst werden. Die NRTIs D4T (Stavudin), ddI (Didanosin) und ddC (Zalcitabin) wirken neurotoxisch, AZT (Zidovudin) myotoxisch.

Die HAART-induzierte Myopathie führt klinisch zu einem Polymyositis-ähnlichen Bild mit Muskelschwäche und -atrophien, Myalgien und CK-Erhöhung. Das morphologische Korrelat besteht aus ragged-red-Fasern, einer verstärkten Faserverfettung, Cytochrom-c-Oxidase-negativen Fasern als Hinweis auf eine mitochondriale Funktionsstörung sowie dem ultrastrukturellen Nachweis von pathologischen Mitochondrien. Häufig ist zusätzlich eine entzündliche Komponente mit CD8-Zellen vorhanden. Die HAART-induzierte Neuropathie manifestiert sich klinisch durch eine schmerzhafte, distal symmetrische sensible axonale Neuropathie. In der Suralisbiopsie sind neben einem Markfaserverlust pathologische Mitochondrien in Axonen oder Schwannzellen detektierbar. Eine toxische Neuropathie kann zur früheren Manifestation von hereditären oder metabolischen Neuropathien führen, die ihrerseits die Prädisposition für eine toxische Neuropathie verstärken können.

Das Risiko für eine HAART-induzierte Myo- oder Neuropathie ist bei Kombination mehrerer NRTIs deutlich erhöht und korreliert mit der Dosis. Sowohl Myo- als auch Neuropathie sind nach Absetzen bzw. Umstellen der NRTIs prinzipiell reversibel. Da sich die klinischen Symptome nicht sicher von einer HIV-assoziierten Polymyositis bzw. HIV-assoziierten Neuritis oder Vaskulitis abgrenzen lassen, sind die Muskel- bzw. Nervenbiopsie von entscheidender Bedeutung für die Diagnosestellung. Die Aufarbeitung sollte aber einem Speziallabor mit entsprechender Expertise vorbehalten bleiben, da die Diagnose nicht am formalin-fixierten Biopsat gestellt werden kann.

Gefördert durch BMBF, Kompetenznetz HIV/AIDS.