Aktuelle Neurologie 2005; 32 - V243
DOI: 10.1055/s-2005-919280

In vivo Neuropathologie bei Patienten mit Tourette-Syndrom: Ergebnisse von voxelbasierter Morphometrie, Magnetisierungstransfer und Diffusions-Tensor-Imaging

T Peschel 1, J Kaufmann 1, R Dengler 1, N Bodammer 1, H Emrich 1, K Müller-Vahl 1
  • 1Hannover, Magdeburg

Fragestellung: Obwohl seit langem eine Beteiligung von Basalganglien und frontalen Arealen an der Pathophysiologie des Tourette-Syndroms angenommen wird, haben bisherige volumetrische Studien diesbezüglich zum Teil widersprüchliche Resultate gezeigt. Das Ziel dieser Studie war es mit unterschiedlichen MRT-Methoden wie voxel-basierter Morphometrie (VBM), Magnetisierungstransfer (MT) und Diffusions-Tensor-Imaging (DTI) nach neuropathologischen Veränderungen in vivo zu suchen.

Methoden: 19 unmedizierte männliche Tourette-Patienten ohne Komorbiditäten und 20 gesunde Kontrollen wurden in die Studie eingeschlossen. VBM, MT und DTI wurden auf einem neuro-optimierten 1.5 Tesla GE Gerät durchgeführt. Die Bilder wurden voxelbasiert mittels SPM2 nach einem neuen Verfahren in Anlehnung an das optimierte Protokoll der VBM analysiert. Gruppenvergleiche wurden basierend auf dem allgemeinen linearen Modell mittels ANCOVA für die einzelnen Modalitäten durchgeführt. Das Signifikanzniveau wurde auf p<0.05 korrigiert für multiple Vergleiche festgelegt.

Ergebnisse: VBM: Im Vergleich zu Kontrollen zeigte sich ein vermindertes Volumen an grauer Substanz im Bereich des anterioren Cingulums und des linken N. caudatus. Ein vermehrtes Volumen fand sich im Bereich des linken frontalen Kortex entsprechend BA 9/10. MT: Es zeigte sich bei den Tourette-Patienten eine signifikante Verminderung des Magnetisierungstransfers im Bereich des medialen frontalen Gyrus sowie im anterioren Cingulum beidseits. DTI: Hier fand sich eine Verminderung der fraktionalen Anisotropie im medialen frontalen Gyrus sowie im anterioren Cingulum bds. Darüber hinaus ergab die Analyse der Diffusionskoeffizienten eine erhöhte Diffusibilität bei Tourette Patienten im dorsolateralen Putamen beidseits.

Schlussfolgerungen: Die strukturellen Veränderungen, welche mit den unterschiedlichen MRT Modalitäten im Bereich der frontalen Regionen und des Striatums gefunden wurden, sprechen für eine Beteiligung des fronto-striatalen Systems an der Pathophysiologie des Tourette-Syndroms. Die Ergebnisse dieser in vivo MRT-Studie decken sich mit einer kürzlich publizierten postmortem Analyse (Minzer et al. 2004), bei der Auffälligkeiten im Bereich des präfrontalen Kortex und geringgradiger im Bereich des Striatums bei Tourette-Patienten gefunden wurden. Aufgrund des Studiendesigns können Einflüsse von Geschlecht, Medikation und Komorbiditäten wie ADHS oder Zwangserkrankungen auf die Ergebnisse ausgeschlossen werden.